30.11.12: (Keine) Erste Bundestags-Beratung zu Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Screenshot Video Bundestagssitzung zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der SelbsttötungAm 29.11.12 stand im Plenum des Deutschen Bundestages die Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung auf der Tagesordnung. Beraten wurde bei Aufruf des Tagesordnungspunktes Nr. 40 zu nächtlicher Stunde um 23.55 Uhr faktisch jedoch nicht.

Die Abgeordneten einigten sich wie interfraktionell vorgeschlagen einhellig darauf, den Gesetzentwurf an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen und die Reden nur schriftlich zu Protokoll zu geben. Damit war das seit langem umstrittene Thema nach knapp einer Minute vorerst wieder abgehakt. Die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs, in der dann die Abgeordneten abschließend beraten und abstimmen werden, sollen Berichten zufolge am 31. Januar 2013 stattfinden.

Am 12.10.12 hatte bereits der Bundesrat über ein Verbot der Suizidbeihilfe beraten und dabei eine Länderinitiative abgelehnt sowie beschlossen, keine Stellungnahme zum Regierungsgesetzentwurf abzugeben (siehe dazu das Themenspecial vom 13.10.12).

Als nächstes wird der Rechtsausschuss bereits am 12.12.12 ab 15 Uhr ein öffentliches Fachgespräch zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Suizidhilfe durchführen. Dies teilte die Pressestelle des Bundestages am 28.11.12 mit. Das habe der Ausschuss in seiner Sitzung am Mittwochvormittag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen beschlossen.

Während sich SPD- und Linksfraktion bei der Abstimmung enthielten, hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Festlegung des Termins gestimmt. Grund dafür waren Bedenken, dass an dem geplanten Datum möglicherweise eine Plenarsitzung angesetzt werde, hieß es in der Mitteilung. Es sei nicht auszuschließen, dass den geladenen Experten kurzfristig Umstände durch Terminverschiebungen entstehen könnten, so ein Grünen-Abgeordneter.

Details zu der Anhörung sowie den geladenen Experten werden in Kürze im Internet auf der Webseite des Bundestages veröffentlicht. Interessierte Besucher können sich unter Angabe ihres Namens und Geburtsdatums beim Rechtsausschuss per E-Mail unter rechtsausschuss(at)bundestag.de anmelden.

Protestaktion der neuen Initiative „Solidarität statt Selbsttötung“

Banner Initiative "Solidarität statt Selbsttötung - Für einen besseren Paragrafen 217 StBG"Im Vorfeld der ersten Lesung des Gesetzentwurfs verschickte die Initiative „Solidarität statt Selbsttötung“, kürzlich gegründet vom Durchblick e.V. innerhalb des Bundesverband Lebensrecht e.V. (BVL), eine „Todespille in der Mogelpackung“. Adressaten waren alle Abgeordneten des deutschen Bundestages, Kirchenvertreter, führende Persönlichkeiten sowie zahlreiche Pressevertreter.

Dabei handelt es sich um eine kleine Pillenpackung mit Totenkopf und dem Aufdruck „§217 forte – Die Todespille in der praktischen Mogelpackung“. Ergänzend heißt es: „Zu den riesigen Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihr Gewissen oder den gesunden Menschenverstand“. Auf dem Beipackzettel werden ausführlich die Folgen erläutert, falls der Gesetzentwurf so verabschiedet werden sollte.

Mit einem deutlichen Appell und einer eindringlichen Warnung vor dem Gesetzentwurf zum § 217 StGB veranstaltete der Durchblick e.V. gemeinsam mit dem BVL am Tag der nicht durchgeführten Debatte mittags eine Protestaktion vor dem Berliner Reichstag. Dabei holten sich vermeintlich alte, kranke, depressive, einsame und unheilbar kranke Menschen hinter weißen Masken mangels anderer menschlicher Zuwendung und Hilfe eine Todespille aus der „Mogelpackung des § 217“.

§217 forte - Die Todespille in der praktischen Mogelpackung„Der Gesetzentwurf zum § 217 StGB ist weder hinreichend noch zielführend. In seiner jetzigen Fassung ist der Entwurf sogar eine gefährliche Mogelpackung. Wir fordern ein Stopp des übereiligen Gesetzgebungsverfahren und eine breite öffentliche und parlamentarische Diskussion sowie alternative Gesetzentwürfe“, erklärte Thomas Schührer, Initiator von „Solidarität statt Selbsttötung“, in einer Presseaussendung die Hintergründe zur Aktion.

Denn die Absicht, nur „gewerbsmäßig“ handelnden Sterbehelfern das Handwerk zu legen, könne leicht umgangen werden, indem diese gemeinnützige Sterbevereine gründen. Zudem öffne Absatz 2 des Entwurfes eine weitere Türe, denn nun dürfen Verwandte oder „nahestehende Personen“ straffrei Mithilfe und Vermittlung selbst zu der nach Absatz 1 strafbaren gewerbsmäßigen Sterbehilfe leisten. „Das ist der offene Weg zum ärztlich assistierten Suizid, der jedoch in der Berufsordnung der Bundesärztekammer den Ärzten untersagt ist und ein Dammbruch in der Berufsethik der Ärzte wäre“, warnte Schührer.

Falsche Signale in einer älter werdenden Gesellschaft und insbesondere an kranke oder behinderte Menschen

Er kritisierte, dass es im Vergleich zu anderen Bioethik-Themen bei diesem lebensentscheidenden Thema nicht einmal alternative Gesetzentwürfe aus den Reihen der Parlamentarier gibt. „Eine so weitreichende Erlaubnis jeder organisierten und privaten Beihilfe zur Selbsttötung setzt falsche Signale in einer älter werdenden Gesellschaft und insbesondere an kranke oder behinderte Menschen. Eine soziale Anerkennung des Suizids fördert den Suizidwunsch des Einzelnen und „normalisiert“ den Gedanken, dass Selbsttötung „gut“ und gesellschaftlich richtig sein könnte“, so Schührer abschließend.

Anwesend bei der Protestaktion war auch der BVL-Vorsitzende Martin Lohmann, der erst vor wenigen Tagen in einer Mitgliederversammlung einstimmig in seinem Ehrenamt wiedergewählt wurde. Der katholische Publizist sieht den öffentlichen Protest auch als eine Art Stellvertretung.

„Wir zeigen Flagge für den Lebensschutz und die Menschenwürde. Wir sind uns in dieser Frage einig mit dem Vorsitzenden des Bundesärztekammer, der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, der EKD, der Evangelischen Allianz, den Hospizgesellschaften und der Deutschen Bischofskonferenz. Denn die Empörung über diesen Vorstoß der Koalition ist ebenso groß wie berechtigt. Es geht um die Humanität unseres Miteinanders, um den unkündbaren Solidaritätspakt mit Leidenden – oder um dessen Aufkündigung“, so Lohmann in einer Presseerklärung.

Lesung zur Geisterstunde verhindert nötige parlamentarische Debatte

Scharfe Kritik an der fehlenden Bundestagsdebatte übte auch die Ärztin und Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA), Dr. med. Claudia Kaminski.

„Es ist sehr bezeichnend, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum geplanten neuen Paragraph 217 heute zur Geisterstunde beraten und die Reden lediglich zu Protokoll gegeben werden sollen. Offensichtlich versucht die schwarz-gelbe Koalition mit dieser Nacht- und Nebelaktion die nötige, ausführliche parlamentarische Debatte über die heftig umstrittene Gesetzesvorlage zu verhindern“, so Kaminski in einer Presseerklärung am Tag der angesetzten ersten Bundestagberatung. Angesichts der von so verschiedenen Seiten wie dem Deutschen Ethikrat, der Bundesärztekammer, der katholischen und der evangelischen Kirche, der Hospiz- und der Lebensrechtsbewegung vorgetragen Bedenken gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung sei dies „ein echter Skandal“.

Die ALfA fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, sich „nicht zu Abnickern eines Gesetzes degradieren zu lassen, das den ärztlich assistierten Suizid durch die juristische Falltür einführen würde und für eine, die zahlreichen Bedenken sorgfältig prüfende, parlamentarische Debatte zu sorgen.“

Am einfachsten zu erreichen wäre dies aus Sicht der ALfA, wenn sich genügend Abgeordnete fänden, die gemeinsam einen eigenen Gruppenantrag erarbeiteten und in den Bundestag einbrächten, der diesen Bedenken Rechnung trägt. „Wer verhindern will, dass zukünftig alte und kranke Menschen gedrängt werden, sich assistiert von fehlgeleiteten Ärzten, Pflegern oder selbsternannten Suizidbegleitern eigenhändig das Leben zu nehmen, muss jede Form der organisierten Suizidhilfe unter Strafe stellen“, so die ALfA-Bundesvorsitzende.

Kaminski rief in Berlin im Rahmen der Aktion „Solidarität statt Selbsttötung“ alle Ärzte auf, sich gegen den derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf zu wehren. Es könne nicht sein, dass von Ärzten demnächst erwartet würde, dass sie „professionell Hand anlegen“. Menschen erwarteten Mitmenschlichkeit und Verantwortung für die Notleidenden und Sterbenden, die Hilfe zur Selbsttötung sei das falsche Signal.

Weiterführende Informationen:

Presseschau zur Bundestagssitzung zum Gesetzentwurf zum Verbot der Suizidbeihilfe

Ergänzend finden Sie in eine Presseschau mit chronologisch sortierter Auswahl an Meldungen zur Bundestagssitzung zur Suizidbeihilfe am 29.11.12. In den Medien war dies kaum ein Thema.

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