Patientenverfügung

26.01.12: Resolution verabschiedet – Parlamentarische Versammlung des Europarats fordert Anerkennung von Patientenverfügungen

Logo PACEDie Parlamentarische Versammlung des Europarats in Straßburg hat am 25.01.12 mit einer Entschließung die 47 Mitgliedsländer aufgefordert, Regelungen für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten zu erlassen, um damit einen zuvor geäußerten Patientenwillen stärker zu berücksichtigen.

Insbesondere ruft die Parlamentarische Versammlung dazu auf, zu diesem Zweck die sogenannte Biomedizinkonvention des Europarates zu unterzeichnen, zu ratifizieren und vollständig umzusetzen, sofern noch nicht geschehen. Ebenso gilt dies für eine Umsetzung der Empfehlung des Ministerkomitees von 2009 über die Grundsätze bezüglich Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen.

Staaten, die noch keine der Regelungen zur rechtlichen Stellung von Patientenverfügungen haben und welche schaffen, sollten dabei die Normen der rechtlich verbindlichen Europarats-Konvention achten. Die Versammlung betonte, dass in Bezug auf die Gesetzgebung die Situation in Europa sehr unterschiedlich ist. Zudem nützten nur eine winzige Minderheit von Menschen tatsächlich Patientenverfügungen und / oder haben Vorsorgevollmachten. Dies mache es schwierig, ihren zuvor geäußerten Wünschen Rechnung zu tragen.

Keine Behandlung gegen den eignen Willen

Die Resolution 1859, die mit 34 zu 16 Stimmen und 6 Enthaltungen angenommen wurde, bekräftigt mit Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die Biomedizin-Konvention, dass niemand dazu gezwungen werden kann, eine Behandlung gegen seinen Willen über sich ergehen zu lassen. In ihren Empfehlungen geht die Parlamentarische Versammlung nur am Rande auf die Problematik der aktiven Sterbehilfe oder der Beihilfe zum Suizid ein und beschränkt sich auf Patientenverfügungen und Bevollmächtigungen. Gleichwohl stellt die Resolution in einem Satz bemerkenswert deutlich unter Punkt 5 klar:

"Euthanasie, im Sinn einer absichtsvollen Tötung eines abhängigen Menschen durch Handeln oder Unterlassen zu seinem oder ihrem angeblichen Wohl, muss immer verboten werden“.

In Bezug auf Unklarheiten beim Patientenwillen und stellvertretende Entscheidungen heißt es an anderer Stelle unter Punkt 7.8:

„Ersetzte Entscheidungen, die auf generellen Wertvorstellungen, die in der Gesellschaft exisitieren, beruhen, sollten nicht zulässig sein und, in Zweifelsfällen, muss die Entscheidung immer für das Leben und die Verlängerung des Lebens ausfallen."

Die Versammlung ist ferner der Auffassung, dass Normen des Europarats in Bezug auf das Resolutionsthema weiter entwickelt werden sollten. Es empfiehlt daher, dass das Ministerkomitee seine relevanten Lenkungsausschüsse, insbesondere des Lenkungsausschusses für Bioethik, anweisen soll, weitere Standards zu entwickeln und die Umsetzung der bisherigen Empfehlungen zu begleiten.

Reaktionen auf die Resolution

In Deutschland blieb die Resolution in den Medien nahezu unbeachtet. Dies liegt möglicherweise daran, dass es hier bereits ein Patientenverfügungsgesetz gibt, in dem die aufgegriffenen Fragen geregelt sind. Allerdings hat Deutschland neben elf anderen Europarats-Staaten noch immer nicht die angepriesene umstrittene Biomedizinkonvention unterzeichnet.

Das Übereinkommen, das sich als Fortschreibung der Europäischen Menschenrechtskonvention versteht und für die ihr beitretenden Staaten sogenannte Mindeststandards in verschiedenen Bereichen medizinischer Therapie und biomedizinischer Forschung festlegt, trat bereits Ende 1999 in Kraft. Kritikpunkte für den bis heute anhaltenden Widerstand und Nichtunterzeichnung sind vor allem die Regelung zur fremdnützigen Forschung an nicht einwilligungsfähigen Menschen und ungenügende Schutzbestimmungen zur Forschung an Embryonen.

Das „Europäische Zentrum für Recht und Gerechtigkeit“ (ECLJ) in Straßburg dagegen begrüßte die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung. „Dies ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass sich eine europäische politische Institution so klar gegen Euthanasie positioniert“, heißt es in einer Presseaussendung vom 26.01.12.

Auch der heilige Stuhl zeigte sich laut Radio Vatikan erfreut über die Klarstellung in Bezug auf aktive Sterbehilfe.

Rechtsanwalt Oliver Tolmein sieht die Resolution in seinem lesenswerten FAZ.NET-Blog-Biopolitik Beitrag „Europarat, Vatikan, Sterbehilfe und Patientenverfügung – eine (un-)kritische Masse“ vom 31.01.12 dagegen wesentlich kritischer. Er macht darin auch auf diverse Widersprüche im Resolutionstext und anderen Regelwerken aufmerksam.

Weiterführende Informationen:

Pressespiegel zur EU-Resolution zu Patientenverfügungen

Nachfolgend finden Sie Meldungen zur EU-Resolution zu Patientenverfügungen, sofern es überhaupt welche gab.

Lebensschützer kapern EU-Resolution zur Würde am Lebensende
In einer Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben Kirchenvertreter und reaktionäre Kräfte in letzter Sekunde den Text der Resolution „Der Schutz der Menschenrechte und der Würde unter Berücksichtigung der zuvor geäußerten Wünschen der Patienten“ geändert. Ärztlich assistierter Suizid und Sterbehilfe sind nun von der Resolution ausgeschlossen.
Thomas Hummitzsch
DIESSEITS.DE 24.02.12
Anm.: Ein Beitrag der „anderen“ Seite in etwas polemischer Sprache, der aber ausführlich das Zustandekommen der Resolution in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates beleuchtet.

Europarat, Vatikan, Sterbehilfe und Patientenverfügung – eine (un-)kritische Masse
Oliver Tolmein
Für die einen ist es eine klare Absage an jede Form von Euthanasie, für die anderen ist es offenbar ein Nichts, sie schweigen jedenfalls einfach darüber.
FAZ.NET Blog Biopolitik 31.01.12

Europarats-Parlament gegen Euthanasie
DOMRADIO 27.01.12

Euthanasia „Must Always Be Prohibited“, European Body Says
By Patrick Goodenough
Anti-euthanasia activists are praising the passage by a leading European governmental body of a resolution stating clearly that euthanasia “must always be prohibited.”
CNSNews.com 27.01.12

Europarats-Parlamentarier: Aufruf zur Anerkennung von Patientenverfügungen
Straßburg – Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat die 47 Mitgliedsländer des Staatenbundes zur Anerkennung von Patientenverfügungen aufgerufen.
AERZTEBLATT.DE 26.01.12

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