Symbolbild Sterbehilfe

30.08.12: Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Screenshot Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der SelbsttötungAm 29.08.12 hat das Bundeskabinett ungeachtet der vorangegangenen Grundsatzkritik den Referenten-Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung beschlossenen. Zuvor waren noch minimale redaktionelle Korrekturen vorgenommen worden, inhaltlich blieb alles wie zuvor.

Nach deutschem Strafrecht ist die eigenverantwortliche Selbsttötung ebenso wie deren Versuch oder die Teilnahme daran straflos, weil sich die Tötung nicht gegen einen anderen Menschen richtet. Dieses Regelungskonzept habe sich grundsätzlich bewährt. Es bedürfe jedoch der Korrektur, wo eine kommerzialisierte Suizidhilfe Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen, heißt es in der Einführung des Gesetzentwurfs.

Inhalte des Gesetzentwurfs

Konkret sieht das Regelwerk daher die Schaffung eines neuen Straftatbestands im Paragraph 217 des Strafgesetzbuch vor, der in Absatz 1 die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Diese Tätigkeit soll „als abstrakt das Leben gefährdende Handlung“ verboten werden. Nach Absatz 2 sollen „Angehörige oder andere dem Suizidwilligen nahe stehende Personen, die sich lediglich als nicht gewerbsmäßig handelnde Teilnehmer an der Tat beteiligen“, von der Strafandrohung ausgenommen werden.

Dieser zweite Passus sorgte bei Politikern, Ärzte- und Kirchenvertretern für einen Sturm der Entrüstung (siehe das Themenspecial vom 04.08.2012). Denn im Text vom Juli hieß es in der Gesetzesbegründung zu der geplanten Ausnahme: „Auch Ärzte oder Pflegekräfte können darunter fallen, wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung entstanden ist, wie dies z. B. beim langjährigen Hausarzt oder einer entsprechenden Pflegekraft der Fall sein kann.“ Der Satz wurde in der Kabinettbeschlussfassung gestrichen. Der nun zu findende Verweis auf einen Kommentar des Strafgesetzbuches besage allerdings dasselbe, betonte ein Ministeriumssprecher Berichten zufolge.

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger verteidigt Gesetzentwurf

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verteidigte in einer Presseerklärung den Gesetzentwurf aus ihrem Haus und erläuterte die Inhalte. „Die gewerbsmäßige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Hilfe zum frei verantwortlichen Suizid soll strafrechtlich verboten werden. Als „Erwerbsmodell“ würde Suizidhilfe sonst zur gewöhnlichen, auf Ausdehnung angelegten „Dienstleistung“, die Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen, obwohl sie dies ohne das kommerzielle Angebot vielleicht nicht getan hätten“, so die Justizministerin. Letztlich hätten möglicherweise gerade alte und kranke Menschen sogar das Gefühl, dieses „Angebot“ in Anspruch nehmen zu müssen, um ihrem Umfeld nicht zur Last zu fallen.

Durch die Ausnahmereglungen in dem Entwurf solle nicht diejenige Suizidhilfe kriminalisiert werden, „die zum Beispiel im engsten Familienkreis in einer schwierigen und existentiellen Konfliktsituation aus rein altruistischen Gründen gewährt“ werde.

Angehörige oder eine anderen ihnen nahestehenden Person sollen straffrei bleiben

„Daher werden Personen, die zugunsten eines Angehörigen oder einer anderen ihnen nahestehenden Person an der Tat des Suizidhelfers teilnehmen, ohne selbst gewerbsmäßig zu handeln, ausdrücklich straffrei gestellt. Ehe- und Lebenspartner, die nach jahrzehntelangem Zusammenleben den geliebten, todkranken und schwer leidenden Partner zum gewerblich handelnden Sterbehelfer fahren, sollen nach wie vor nicht bestraft werden. Denn ihr Verhalten basiert in dieser extremen Konfliktsituation in der Regel auf – wenn auch von Verzweiflung geprägter – Liebe und Zuneigung und ist Ausdruck einer intimen zwischenmenschlichen Verbindung, in der der Staat nichts zu suchen hat“, begründete die Ministerin die Regelung.

„Dies soll auch für andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen gelten, deren auf Dauer angelegte zwischenmenschliche Beziehung ähnliche Solidaritätsgefühle wie unter Angehörigen hervorruft und bei denen deshalb der Suizidwunsch des anderen zu einer vergleichbaren emotionalen Zwangslage führt“. Nur diese „enge Ausnahme von der vorgesehenen neuen Strafbarkeit“ enthalte der Entwurf. Von einer Ausweitung der Suizidhilfe könne daher keine Rede sein, vielmehr stelle der Entwurf unter Strafe, was bislang nicht strafbar war.

Gleichzeitig stelle der Gesetzentwurf sicher, dass der gerechtfertigte Behandlungsabbruch – früher oftmals bezeichnet als „passive Sterbehilfe“ -, bei dem entsprechend dem freiverantwortlichen Willen des Patienten eine medizinische Behandlung unterlassen oder beendet wird, um dem Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen, obwohl dies zum Tode führt, straffrei bleibt. Ebenfalls straffrei bleibe eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation bei einem Sterbenden, die als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigt, sogenannte „indirekte Strebehilfe“.

Gesetzentwurf schafft gefährliche Freiräume

E. BryschKritik an dem vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung kam vom Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch.

„Der Gesetzentwurf der christlich-liberalen Bundesregierung stärkt die Befürworter des assistierten Suizids. Denn gerade weil nicht die geschäftsmäßige, also auf Wiederholung ausgerichtete, Handlung unter Strafe gestellt wird, werden sich organisierte Suizidhelfer in ihrem Tun bestätigt fühlen. Was strafrechtlich nicht verboten ist, ist erlaubt“, erklärte Brysch in einer Pressemitteilung vom 29.08.12. „Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass jetzt schnell der Ruf nach Zulassung von tödlichen Medikamenten laut wird. Das ist bisher in Deutschland verboten. Mit diesem Gesetzentwurf werden gefährliche Freiräume geschaffen“, warnte er.

Es sei offenbar „der persönliche und politische Wille“ von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, Tötung auf Verlangen in Deutschland zu legalisieren. „Sie ist Beiratsmitglied in der Humanistischen Union, die sich für aktive Sterbehilfe einsetzt. Der beschlossene Entwurf ist also ein erster Schritt. Das muss jedem klar sein. Ihre Partei, die FDP, hat bisher alles dafür getan, um keine zukunftsfähige Pflegereform zu verabschieden, die ein würdevolles Leben bis zuletzt möglich macht“, gab Brysch zu bedenken.

„Assistierter Suizid ist nicht die Fortführung einer umfassenden Begleitung für pflegebedürftige und sterbende Menschen. Das ist Entsolidarisierung mit den Schwächsten unserer Gesellschaft. Die Patientenschützer setzen auf den Bundestag. Es wird darauf ankommen, Mehrheiten für ein Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe zu organisieren.“

Unionsabgeordnete forderten Medienberichten zufolge bereits, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren wieder „auf seinen Kern“, das Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe, zu reduzieren. Das Problem an dem jetzigen Entwurf sei, „dass sozusagen in einem Nebensatz, en passant, die Beihilfe zur Sterbehilfe, zum Selbstmord durch nahestehende Ärzte und Pflegekräfte straffrei gestellt werden soll“, so der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn gegenüber der „Ärzte Zeitung“.

Weiterführende Informationen:

Presseschau zum Gesetzentwurf zum Verbot der Suizidbeihilfe

Ergänzend gibt es eine Presseschau mit chronologisch sortierter Auswahl an Meldungen zur Debatte um ein Verbot der Suizidbeihilfe.

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