09.03.12: Koalitionsausschuss von Union und FDP will Verbot gewerbsmäßiger Förderung der Selbsttötung
Der Koalitionsausschuss von Union und FDP hat bei seinem Treffen am 04.03.12 beschlossen, dass Geschäfte mit der Sterbehilfe verboten werden sollen. Konkret wollen sie die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellen und dafür einen neuen Tatbestand im Strafgesetzbuch schaffen.
In drei Initiativen hat sich der Bundesrat bisher immer wieder mit diesem Thema befasst, war aber noch zu keiner wirklichen Einigung gekommen. Auch im Koalitionsvertrag wurde die Absicht, die gewerbsmäßige Suizidvermittelung unter Strafe zu stellen, bereits bekräftigt.
Der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch begrüßte den Beschluss. „Es ist gut, dass die Bundesregierung, die geschäftsmäßige Vermittlung von Selbsttötung aus dem Telefonbuch endlich unter Strafe stellen will. Seit 2005, mit der Gründung eines Sterbehelfer-Büros in Hannover, versucht die Politik, dem gewerbsmäßigen Treiben mit der Angst der Menschen Einhalt zu gebieten,“ erklärte Brysch in einer Pressemitteilung vom 05.03.12.
Strafrecht ersetzt keine Sozialpolitik
„Viel zu lang haben sich die politischen Akteure, wie ein Nasenbär durch die politische Arena treiben lassen. Immer wieder führten schweizerische und deutsche Organisation, die deutschen Strafverfolgungsbehörden vor. Tatsächlich hatten die Staatanwaltschaften bisher nur ein Pappschwert in der Hand. Jetzt kann sich das durch die Umsetzung ins Strafrecht ändern“, so Brysch. Die Patientenschutzorganisation für Schwerstkranke und sterbende Menschen appellierte an alle politischen Parteien im Bundestag, in dieser Frage an einem Strang zu ziehen.
Die Patientenschutzorganisation machte jedoch deutlich, dass das Verbot der Selbsttötungshilfe kein Ersatz für ein überzeugendes Zukunftskonzept der Versorgung der schwerstkranken, pflegebedürftigen und sterbenden Menschen ist. Die Angst der Bevölkerung vor Abhängigkeit und schlechter Pflege sei „riesengroß“. „Nicht ohne Grund sagen so viele Menschen im Vorfeld, sie begingen lieber Suizid als sich der Pflege auszusetzen. Ein strafrechtliches Verbot der kommerziellen Suizidhilfe ersetzt keine Gesundheits- und Sozialpolitik. Dort müssen die Weichen gestellt werden, um der Angst der Menschen zu begegnen“, erklärte Brysch.
Jede Form der organisierten Sterbehilfe verbieten
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Frank Ulrich Montgomery begrüßte den Koalitionsbeschluss, forderte aber ein umfassenderes Verbot. „Die Angst der Menschen vor Krankheit und Schmerzen darf von sogenannten Sterbehilfevereinen nicht weiter für deren Geschäftemacherei ausgenutzt werden. Bei diesen Organisationen stehen nicht Beratungsangebote über lebensbejahende Perspektiven im Vordergrund, sondern allein die rasche Abwicklung des Selbsttötungsentschlusses. Deshalb ist es richtig, dass die Koalition die gewerbsmäßige Vermittlung von Sterbehilfe unter Strafe stellen will. Wenn wir aber verhindern wollen, dass solche Organisationen unter anderem Rechtsstatus weiter ihren Geschäften nachgehen, muss jede Form der organisierten Sterbehilfe in Deutschland verboten werden“, erklärte Montgomery am 08.03.12 in einer Pressemitteilung.
Montgomery forderte, alle Mittel auszuschöpfen, um die Etablierung solcher Organisationen in Deutschland zu verhindern. „In der Praxis lassen sich diese Organisationen leicht zu vermeintlich altruistisch handelnden Vereinen oder Stiftungen umfirmieren. Deshalb muss der Gesetzgeber allen Facetten der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung einen strafrechtlichen Riegel vorschieben, also auch den Organisationen, bei denen rechtlich keine Gewinnerzielungsabsicht nachweisbar ist.“ Der BÄK-Präsident bekräftigte in diesem Zusammenhang seine strikt ablehnende Haltung gegenüber der aktiven Sterbehilfe: „Für uns Ärzte gilt die Maxime: Der Patient hat das Recht auf einen würdigen Tod, aber er hat keinen Anspruch darauf, getötet zu werden.“
Auch der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU) forderte eine weitergehende Regelung mit ähnlichen Argumenten wie die Bundesärztekammer. Notwendig sei ein Tatbestandsmerkmal, das alle Facetten erfasst. Niedersachsen habe hierzu schon immer vorgeschlagen, den Begriff „geschäftsmäßig“ zu verwenden im Zusammenhang mit organisierter Beihilfe zur Selbsttötung.
Verbot „geschäftsmäßiger“ Beihilfe zur Selbsttötung zu weitgehend
Kritik an den Forderungen des niedersächsischen Justizministers und der Bundesärztekammer, nicht nur die gewerbsmäßige, sondern auch die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung zu verbieten, kam vom Experten der FDP-Bundestagsfraktion für Palliativmedizin, Michael Kauch. „Die Koalition von Union und FDP hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die gewerbsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe zu stellen. Das setzen wir auf Beschluss des Koalitionsausschusses jetzt um – nicht mehr und nicht weniger“, erklärte Kauch am 09.03.12 in einer Presseaussendung.
Das Abstellen auf das Merkmal „geschäftsmäßig“ würde laut Kauch bedeuten, dass unentgeltliche, aber regelmäßig wiederholte Beratungen zum Themenkomplex Sterbehilfe strafbar werden würden. „Damit würde jede offene Beratung von Patienten zu Fragen des Lebensendes bei schwersten Krankheiten gefährdet. Eine solche Strafandrohung wäre zudem unverhältnismäßig, da die Selbsttötung straffrei ist“, so Kauch. Die Beihilfe zu straffreien Handlungen unter Strafe zu stellen, bedürfe einer sehr guten Begründung. „Wir wollen das Geldverdienen mit dem Tod verhindern – nur das legitimiert die Gesetzesänderung.“ Deshalb müsse man an der „gewerbsmäßigen“ Beihilfe ansetzen.
Presseschau zum Koalitionsbeschluss zum Suizidbeihilfe Verbot
Nachfolgend finden Sie eine Auswahl von Meldungen zum Koalitionsbeschluss zum Suizidbeihilfe-Verbot
Hospiz Stiftung fordert Ende von Suizid-Geschäften
Ärzte Zeitung online 05.03.12
Hospiz Stiftung begrüßt Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe
DOMRADIO 05.03.12
Sterbehilfe: CSU will strengere Gesetze
FOCUS Online 06.03.12
Busemann: „Die organisierte Förderung von Suizid kann nicht toleriert werden!“
Hannover. Am Sonntagabend haben in Berlin die Koalitionsspitzen aus CDU/CSU und FDP beschlossen, dass Geschäfte mit der Sterbehilfe verboten werden sollen. Niedersachsen fordert dies bereits seit Jahren.
PRESSEMITTEILUNG Niedersächsisches Justizministerium 07.03.12
Busemann: Auch nicht gewinnorientierte Sterbehilfe verbieten
Hannover – Ein gesetzliches Verbot jedweder organisierter Beihilfe zur Selbsttötung hat die niedersächsische Landesregierung gefordert.
AERZTEBLATT.DE 07.03.12
BÄK fordert Verbot jedweder Sterbehilfe
Berlin – Die Bundesärztekammer (BÄK) hat das Verbot der kommerziellen Sterbehilfe begrüßt, es aber als nicht ausreichend bezeichnet.
AERZTEBLATT.DE 08.03.12
Kauch: Nur gewerbsmäßige Sterbehilfeberatung verbieten
Berlin. Zu den Forderungen des niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann (CDU) und der Bundesärztekammer, nicht nur die gewerbsmäßige, sondern auch die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung zu verbieten, erklärt der Experte der FDP-Bundestagsfraktion für Palliativmedizin Michael KAUCH:
Die Koalition von Union und FDP hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die gewerbsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe zu stellen. Das setzen wir auf Beschluss des Koalitionsausschusses jetzt um – nicht mehr und nicht weniger.
PRESSEMITTEILUNG Michael Kauch, MdB, FDP 09.03.12