22.01.11: Sterbehilfe: Richtungsweisendes Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und geplante Sterbehilfeklinik in den Niederlande

In der vergangenen Woche gab es gleich zwei wichtige Ereignisse in Sachen Sterbehilfe.

In einem richtungsweisenden Urteil am 20. Januar 2011 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg klargestellt, dass Staaten nicht verpflichtet sind, ihre Bürger bei der Sterbehilfe zu unterstützen. Damit wiesen die Richter die Beschwerde eines 57-jährigen Mannes ab, der vergeblich in der Schweiz eine tödliche Medikamenten-Dosis für einen seiner Ansicht nach sicheren und schmerzfreien Tod beantragt hatte. In seiner Klage warf der Mann der Schweiz einen Verstoß gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens vor.

Zum Hintergrund des Urteils

Hintergrund seiner Suizidabsichten ist eine seit Jahren bestehende so genannte bipolare Störung, die ihn manisch-depressiv macht. Zunächst hatte er vergeblich versucht, von Psychiatern eine Verschreibung für eine tödliche Dosis an Schlafmitteln zu bekommen. Schließlich versuchte er vor Gericht eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken, um auch ohne Rezept das Medikament zu erhalten. Doch auch dies gelang ihm in höchster Instanz nicht. Daraufhin reichte er Klage vor dem EU-Gerichtshof ein.

Wie die Richter nun in der Pressemitteilung des Gerichtshofes ausführten, bestehen in den 47 Europarats-Staaten unterschiedliche Auffassungen zur aktiven Sterbehilfe und zum Lebensende. Daher hätten diese in der Frage der Sterbehilfe einen großen Ermessensspielraum. Im konkreten Fall der Schweiz sei die Suizidbeihilfe nur strafbar, wenn der Helfer aus egoistischen Motiven handle. Bei der Verschreibungspflicht des geforderten Medikamentes gehe es darum, Menschen vor voreiligen Entscheidungen zu schützen und zugleich Missbräuche zu vermeiden. Dies sei ein legitimes Ziel, das die Schweiz damit verfolge.

Zugleich verwiesen die Richter auf die nicht zu unterschätzenden Gefahren eines Systems, in dem die Beihilfe zum Suizid erleichtert würde. Das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Leben bedeute nach Auffassung der kleinen Kammer des höchsten Gerichtshofes für die Staaten auch die Pflicht, Regelungen dafür zu schaffen, dass die Entscheidung zur Lebensbeendigung wirklich dem freien Willen des Betroffenen entspreche. Dem trage etwa die Verschreibungspflicht Rechnung. Sie bedeute, dass eine gründliche Befassung des konkreten Einzelfalles mit dem Präparatserwerb vorausgehen müsse.

Geplante Sterbehilfeklinik in den Niederlanden

Unterdessen gab die „Niederländische Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende“ (NVVE) bekannt, dass sie im kommenden Jahr in den Niederlanden eine Sterbehilfeklinik einrichten will. Als Grund für den Vorstoß führte die Organisation laut Medienberichten an, dass immer wieder Menschen, die Sterbehilfe wünschten, Schwierigkeiten hätten, einen Arzt für lebensbeendende Maßnahmen zu finden.

Sollten die Pläne Wirklichkeit werden, sollen nach den Vorstellungen der Vereinigung in der Klinik jährlich bis zu 1.000 Menschen Sterbehilfe erhalten. Niederländische Ärzteorganisationen geht dieses Vorhaben den Berichten zufolge jedoch eindeutig zu weit. Sie kritisierten in erster Linie die kurze Verweildauer von drei Tagen, die Sterbewillige dort bis zu ihrem Tod verbringen sollen. Zielgruppe für die Klinik sollen vor allem Krebspatienten, chronisch psychisch Kranke und alte demente Menschen sein.

Der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, reagierte schockiert auf die Ankündigung der niederländischen Sterbehelfer. „Schwerstkranke brauchen kein Tötungsangebot, sie brauchen psychische, pflegerische und medizinische Hilfe. Jeder, der in Deutschland den assistierten Suizid ermöglichen möchte, öffnet solchen Tendenzen ungewollt auch hierzulande Tür und Tor“, warnte Brysch.

„Sollte die Tötungsklinik in den Niederlanden staatlich genehmigt werden, dann ist diese Entsolidarisierung mit den Schwächsten der Gesellschaft auch ein Schlag gegen die europäische Wertegemeinschaft. Töten ist kein gesellschaftliches Konzept. Wir brauchen keine Coffeeshops, wo der Tod bei einem schnellen Besuch angeboten wird.“ Er forderte Außenminister Westerwelle auf, mit allen diplomatischen Mitteln auf die Regierung des Königreiches Niederlande einzuwirken.

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