05.01.11: Kehrtwende: Bundesärztekammer plant liberale Regeln für Suizidbeihilfe

Der Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Jörg-Dietrich Hoppe, hat angekündigt, das ärztliche Standesrecht zu ändern. Konkret will er darin das ethische Verbot des ärztlich assistierten Suizids abschaffen. Hierfür soll es einen Neuentwurf für das Berufsrecht der Mediziner geben. Dies erklärte Hoppe in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 27.12.2010. Es könne nicht länger daran festgehalten werden, dass die Beihilfe zum Suizid nach dem ärztlichen Standesrecht als unethisch verboten sei, während sie nach dem Strafrecht nicht verfolgt werde, so Hoppe.

In dem Entwurf für die neuen Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung werde zwar klargestellt, dass Beihilfe zum Suizid nicht zu den ärztlichen Aufgaben gehört. Sie solle aber möglich sein, wenn der Arzt das mit seinem Gewissen vereinbaren kann. „Damit gehen wir nicht mehr über das Strafrecht hinaus“, so der Ärztekammerpräsident. Er selbst lehne assistierten Suizid jedoch vehement ab.

Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung bestürzt über die Pläne der Ärzteschaft

Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung reagierte bestürzt auf die Pläne der Ärzteschaft. Es sei nicht alles erlaubt, was durch das Strafrecht nicht verboten ist, erklärte der Geschäftsführende Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, in einer Presseaussendung vom 27.12.10. „Auch ist die ärztlich begleitete Selbsttötung keine Fortführung der Sterbebegleitung noch eine Alternative zu ihr. Schon gar nicht wäre sie eine Befriedigung der Bedürfnisse schwerstkranker Menschen nach Solidarität und Achtung ihrer Würde. Tatsächlich erwarten die Betroffenen in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder zu Hause eine würdige Begleitung in den letzten Monaten ihres Lebens“, so Brysch.

Niemand dürfe gegen seinen Willen behandelt werden. Doch das Recht von Schwerstkranken und Sterbenden auf professionelle Leidenslinderung und Sterbebegleitung ignoriere das deutsche Gesundheitssystem, kritisierte er. Nur 14 Prozent der Schwerstkranken und Sterbenden erhielten eine professionelle Sterbebegleitung.

„Leiden ist immer etwas Individuelles. Niemand ist ethisch in der Lage, Leiden zu objektivieren. Wer entscheidet, ob das Leiden eines Patienten ausreichend schwer wiegt? Soll es hierüber einen „Leidenskatalog“ oder ein „Leidenskonzil“ aus „Leidensexperten“ geben?“, fragt Brysch. Mit Blick auf den schwarz-gelben Koalitionsvertrag forderte er die Bundesregierung auf, endlich die gewerbsmäßige Vermittlung des Suizids unter Strafe zu stellen.

Kritik Deutscher Hospiz- und PalliativVerband (DHPV)

Mit großer Sorge hat auch der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) die Aussage des Bundesärztekammer-Präsidenten, zur Kenntnis genommen, dass ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung zukünftig standesrechtlich nicht mehr verfolgt werden soll. „Eine solche Änderung des Berufsrechts würde zentrale Anliegen der gerade erst gemeinsam verabschiedeten Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen berühren. Es hätte aus Sicht des DHPV unübersehbare Konsequenzen für die ärztliche Haltung und ärztliches Handeln, für ihre Verantwortung und für ihr Vertrauensverhältnis zu ihren Patientinnen und Patienten“, hieß es in einer Presseaussendung.

Die Grenzen zwischen der Beihilfe zur Selbsttötung und der Tötung auf Verlangen seien überdies nicht immer scharf zu ziehen. „Eine Gesellschaft, die solche Optionen ermöglicht, erhöht auch den Druck auf kranke und alte Menschen, anderen nicht zur Last fallen zu wollen, eine Entwicklung, die nicht gewollt sein kann“, warnte die Vorstandsvorsitzende des DHPV, Dr. Birgit Weihrauch. Zu fordern sei vor allem der weitere Auf- und Ausbau der hospizlichen und palliativen Versorgungsstrukturen, damit alle Menschen, die diese Versorgung benötigen, einen Zugang dazu bekommen.

Ergänzende Informationen:

  • Dürfen Ärzte beim Suizid helfen?
    Matthias Kamann
    Chef des Marburger Bundes widerspricht Liberalisierungsplänen des Ärztekammer-Präsidenten – FDP-Politiker für Bundestagsdebatte
    WELT Online 31.12.10

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