21.01.10: Studie zu Mitarbeiterbelastung auf Palliativstationen: Wie viel Tod verträgt das Team?
Dass Palliativmedizin für schwerstkranke Menschen eine immens große Hilfe auf dem letzten Lebensweg ist, ist mittlerweile auch außerhalb von Fachkreisen bekannt. Weniger bekannt war dagegen bislang, wie die Mitarbeiter auf Palliativstationen mit der großen Belastung des dort allgegenwärtigen Todes umgehen. Was sie auffängt und was besonders stresst, haben Forscher aus Bonn und Göttingen in einer bundesweiten Befragung untersucht. Die Ergebnisse wurden kürzlich in „Der Schmerz“ (2009, 23:600-608) veröffentlicht, dem offiziellen Organ der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS).
Besonders belastend sind demnach laut Pressemitteilung vom 20.01.10 zur Studie, ein nicht erfüllter Anspruch der Palliativmedizin und die Beziehung zum Patienten. Nähe, Ähnlichkeiten mit der eigenen Lebenssituation und ein junges Alter des Patienten machen Mitarbeitern auf Palliativstationen besonders zu schaffen. Was hilft, ist allem voran das Team, gefolgt von Humor und dem Privatleben. Die Spezialisten um Birgit Jaspers von der Lehr- und Forschungsstelle Palliativmedizin, Universität Bonn, empfehlen daher, die Teamkommunikation zu stärken und die eigenen Ansprüche zu hinterfragen, um sie auf ein realistisches Maß zu bringen.
Mitarbeiterbelastung auf Palliativstationen
Für die Studie haben 973 Personen von 158 deutschen Palliativstationen den Fragebogen der Forscher beantworteten. Fast 80 Prozent der Befragten waren Frauen, die durchschnittliche Arbeitsdauer auf der Station lag bei sechs Jahren. Besonders diejenigen, die schon lange dabei waren, litten unter nicht erfüllten Ansprüchen an die eigene Arbeit. Je ein Fünftel beklagten mangelnde psychosoziale Betreuung, mangelnde medizinische Betreuung und mangelndes Zeit- und Personalmanagement.
Eine große Nähe zum Patienten fand fast ein Viertel der Befragten, d.h. 24 Prozent, belastend. Sind Patienten jung, haben junge Kinder oder ähneln sie dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin, steigere das ebenfalls die Belastung, so das Ergebnis der Befragung. Schnell aufeinander folgende Todesfälle werden als anstrengender empfunden als gleichmäßig mit Abständen erfolgende, auch wenn die Gesamtzahl in einer Zeitspanne gleich ist.
Häufiges Stresssymptom nach Todesfällen ist laut DGSS Überredseligkeit, gefolgt von Reizbarkeit, Rückzug und Spannung im Team. Besonders gut mit dem Tod umgehen können den Forschern zufolge Teams, deren Mitglieder sich austauschen. In Teams, die bei Belastung kaum miteinander kommunizieren, sehen die Mitglieder die Zukunft eher düster und können sich nicht vorstellen, die Arbeit auf der Palliativstation noch lange fortzusetzen. Auch sei in solchen Teams die kritische Anzahl von Todesfällen pro Woche niedriger als im Durchschnitt. Durchschnittlich gaben die Mitarbeiter an, dass ihr Team rund vier bis fünf Todesfälle in einer Woche verkraften könne.
Weitere Informationen:
- M. Müller, D. Pfister, S. Markett, B. Jaspers: Wie viel Tod verträgt das Team?
Eine bundesweite Befragung der Palliativstationen in Deutschland. In: Der Schmerz 2009, 23:600-608