10.08.10: Schweiz: Wende in Debatte um gesetzliche Regelung der organisierten Suizidhilfe

Flagge SchweizIn der Debatte um eine gesetzliche Regelung der organisierten Suizidhilfe in der Schweiz bannt sich offenbar eine Wende an.

Konkret will Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf die im Oktober 2009 dazu vorgelegten Vorschläge des Bundesrates nochmals überdenken und liberaler fassen. „Wir wollen die Suizidhilfe nicht nur für unmittelbar vom Tod bedrohte schwer kranke Personen zulassen, sondern weiter fassen“, sagte Widmer-Schlumpf in einem Interview mit der Schweizer „Sonntagszeitung“ am 8. August 2010. Damit möchte sie der breiten Kritik in der sogenannten Vernehmlassung, dem Anhörungsverfahren im Gesetzgebungsprozess, bei dem bis 1. März von verschiedenen Seiten Stellungnahmen abgegeben werden konnten, Rechnung tragen.

Der Schweizer Bundesrat hatte zwei Varianten zur Änderung des Strafrechts vorgeschlagen: Entweder eine Festlegung von klaren Sorgfaltspflichten im Strafrecht für Mitarbeitende von Sterbehilfeorganisationen oder aber die organisierte Suizidhilfe zu verbieten. (Siehe das Themenspecial vom 29.10.09.) In der Vernehmlassung waren die Vorschläge des Bundesrates auf breite Ablehnung gestoßen. So sei laut der Justizministerin unter anderem kritisiert worden, „dass man chronisch Kranke nicht einfach von der Suizidhilfe ausschließen könne und die Suizidhilfe auch hier unter bestimmten Bedingungen zulassen sollte“.

Sterbehilfeorganisationen drohen mit Referendum

Die beiden Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas hatten für den Fall, dass chronisch Kranke von der Suizidhilfe ausgeschlossen werden sollten, mit einem Referendum, d. h. einer Volksabstimmung, gedroht. Auch der Nationalen Ethikkommission NEK ging diese Gesetzeseinschränkung zu weit, obwohl die NEK strengere Regeln für die Suizidhilfe will. Zudem wurde der Vorschlag, dass Sterbewillige gleich zwei Gutachten von Ärzten vorlegen müssen, als zu schwerfällig kritisiert. Nun will die Justizministerin im Bundesrat entsprechende neue Vorschläge machen. Widmer-Schlumpf prüft laut „Sonntagszeitung“ auch die Möglichkeit, ein eigentliches Suizidhilfegesetz zu erlassen. Damit könnte die Tätigkeit der Suizidhilfeorganisationen umfassend geregelt und kontrolliert werden.

An der derzeitig geltenden liberalen Regelung, welche die Beihilfe zum Suizid ohne „selbstsüchtige Beweggründe“ zulässt, will der Bundesrat dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement der Schweiz zufolge grundsätzlich keine Abstriche machen, hieß es damals bei Vorlage des Entwurfs. Da die Sterbehilfeorganisationen aber den rechtlichen Spielraum vermehrt ausschöpfen und sich teilweise den staatlichen und standesrechtlichen Kontrollmechanismen entziehen, drängen sich nach bisheriger Überzeugung des Bundesrates Leitplanken und Schranken auf. Diese sollen verhindern, dass sich die organisierte Suizidhilfe zur gewinnorientierten Tätigkeit entwickelt.

Sie sollen zudem gewährleisten, dass die organisierte Suizidhilfe todkranken Patienten vorbehalten bleibt und nicht durch chronisch oder psychisch kranke Menschen in Anspruch genommen werden kann, hieß es ursprünglich. Der Suizid solle nur der letzte Ausweg sein. Im Vordergrund müsse nach Ansicht des Bundesrates der Schutz des menschlichen Lebens stehen. Insbesondere durch die Förderung der Palliativmedizin und der Suizidprävention können suizidwilligen Personen Alternativen zum Suizid geboten werden.

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