02.10.10: Wenig aussagekräftig: Auszeichnung zur Lebensqualität als Qualitätskriterium für Pflegeheime

Anlässlich des „Internationalen Tags der älteren Menschen“ am 1. Oktober hat die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesverbraucherministerin, Julia Klöckner (CDU), angemahnt, die „Lebensqualität von Seniorinnen und Senioren sowie ihre Integration in die Gesellschaft zu verbessern.“

Um dieses Anliegen zu unterstützen, fördert das Bundesverbraucherministerium (BMELV) mit rund 1,5 Millionen Euro das Projekt www.heimverzeichnis.de. Bei dem Projekt handelt es sich um eine bundesweite unabhängige, im Februar 2009 eingeführte Datenbank zur Suche nach Altenpflegeeinrichtungen mit hoher Lebensqualität. Etwas mehr als 1.000 Heime, d.h. fast zehn Prozent der Altenpflegeeinrichtungen in Deutschland, haben freiwillig ihre Lebensqualität von den 236 geschulten ehrenamtlichen Gutachterinnen und Gutachtern im Auftrag des Heimverzeichnisses bisher bewerten lassen. 993 Altenpflegeeinrichtungen wurden für ihre hohe Lebensqualität mit dem „Grünen Haken“ gekennzeichnet, teilte das BMELV am 30. September mit. Durchgefallen waren nur gut zwei Prozent der geprüften Einrichtungen. Diese haben die Auszeichnung nicht bekommen.

Als Mindestanforderung für die Auszeichnung eines Heimes mit dem „Grünen Haken“ müssen die Pflegeinrichtungen in den Bereichen Autonomie, Menschenwürde und Teilhabe jeweils mindestens 80 Prozent der Prüfkriterien erfüllen. Durchgeführt wird das Projekt von der Bundesinteressenvertretung der Nutzerinnen und Nutzer von Wohn- und Betreuungseinrichtungen im Alter und bei Behinderung (BIVA) e.V. Die Prüfkriterien wurden unter der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für soziale Infrastruktur (ISIS) unter Beteiligung von Heim-, Krankenkassen- und Verbandsvertretern erarbeitet.

Zwiespältige Bewertung der Ergebnisse

Die Idee und das Ergebnis für das Heimverzeichnis stießen auf ein geteiltes Echo. Zu berücksichtigen ist bei dem außergewöhnlich positiven Prüfergebnis, dass sich bei dem Projekt die Heime freiwillig zur Prüfung melden. Daher ist davon auszugehen, dass sich schlechte Heime gar nicht erst für diese Prüfung melden werden.

Der Pflegekritiker Claus Fussek, der schon seit Jahren katastrophale Zustände in Pflegeheimen anprangert, hält das Ergebnis von 98 Prozent positiv getesteter Einrichtungen auf Grund eigener Erfahrung „schlicht für absurd“. Er erlebe bei eigenen Recherchen „dehydrierte Menschen, nach Urin stinkende Räume und überfordertes Pflegepersonal.“

Das Heimverzeichnis sei als Hilfestellung nicht geeignet, sondern es leiste „einen Beitrag dazu, die Missstände in deutschen Heimen zu verdrängen“, so Fussek laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel Online“ vom 29. September. Mehr dazu im Beitrag „Pflegeheimtest: Schöne alte Welt“ (siehe unten).

Staatssekretärin Klöckner zufrieden mit dem bisherigen Ergebnis

Staatssekretärin Klöckner zeigte sich dagegen zufrieden mit dem bisherigen Ergebnis für das Heimverzeichnis. „Das ist ein großer Erfolg. Denn gerade, wenn das eigene Zuhause aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben werden muss, ist es für die Betroffenen und ihre Angehörigen wichtig zu wissen, dass auch in der neuen Umgebung Respekt, Rücksichtnahme und die Wahrung von Intimsphäre keine Fremdworte sind“, sagte Julia Klöckner.

„Immer mehr Menschen werden künftig ihren Lebensabend in einem Altenheim verbringen. Bei der Suche nach einem geeigneten Altenheim ist für die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht allein die gute Pflege entscheidend, sondern auch die Frage, welche Lebensqualität das Heim bietet. Wird man in dem Heim gesiezt oder geduzt, darf man seinen eigenen Fernsehsessel mitnehmen und als Angehöriger die Mutter auch außerhalb der festgelegten Besuchszeiten sehen? Das können entscheidende Fragen bei der Bewertung eines Heims sein“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin. „Durch die Begutachtung der Lebensbedingungen in Altenpflegeeinrichtungen in den Bereichen Autonomie, Teilhabe und Menschenwürde wird die Lebensqualität zum Qualitätskriterium“, so Klöckner.

Der „Grüne Haken“ des Heimverzeichnisses ist nicht zu verwechseln mit den derzeit diskutierten sogenannten „Pflege-TÜV“-Noten für Alten- und Pflegeheime. Diese Noten beziehen sich überwiegend auf andere Kriterien und sind aus unterschiedlichen Gründen ebenfalls heftig umstritten.

Ergänzende Informationen:

  • Pflegeheimtest: Schöne alte Welt
    Von Christian Teevs
    Wie gut sind deutsche Pflegeheime? Kritiker sprechen von katastrophalen Zuständen, doch verlässliche Studien gab es bislang kaum. Jetzt hat das Verbraucherministerium Tester losgeschickt. Ihre Ergebnisse sind besser als erwartet – aber Experten bezweifeln die Aussagekraft.
    SPIEGEL Online 29.09.10
     
  • Heimverzeichnis

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