28.08.09: Warnung vor Webfehler in den Neuregelungen zu Patientenverfügungen: Fachverbände empfehlen ergänzende Vorsorgevollmachten
Am 1. September 2009 tritt die gesetzliche Regelung zur Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen in Kraft. Damit sind die Voraussetzungen von Patientenverfügungen und ihre Bindungswirkung eindeutig im Gesetz bestimmt. Fachorganisationen warnten anlässlich des Inkrafttretens der Gesetzesänderungen, eine Verfügung ohne gleichzeitige Benennung eines Bevollmächtigten abzufassen.
„Jede Patientenverfügung ist nach künftiger Rechtslage nichts anderes als ein Himmelfahrtskommando, wenn nicht gleichzeitig ein Bevollmächtigter benannt wird“, erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, in einer Pressemitteilung am 28. August. Ursache dafür sei ein „folgenschwerer Webfehler im Gesetz“. Das Gesetz schreibe nämlich vor, dass der in einer Vorausverfügung niedergelegte Wille eines Patienten immer von einem Bevollmächtigten oder Betreuer ermittelt wird. „Aber was ist, wenn kein Bevollmächtigter benannt oder kein Betreuer bestellt ist?“, fragt Brysch. Hier gebe das Gesetz keine Antwort für die Praxis.
Bevollmächtigten zur Durchsetzung des Patientenwillens benennen
„Die einzige Möglichkeit ist in einem solchen Fall, dass ein Gericht einen gesetzlichen Betreuer einsetzt. Das kann dauern. Und bestellt wird dann in aller Regel ein Berufsbetreuer, der den Patienten überhaupt nicht kennt“, kritisierte Brysch. Unter diesen Bedingungen eine Vorsorgevollmacht lediglich zu empfehlen, wie es Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur dpa jüngst getan habe, sei „skandalöse Augenwischerei“ der Justizministerin und verkenne den Ernst der Lage. „Das Gesetz schafft einen haltlosen Zustand für Betroffene, Angehörige und Ärzte, die sich in juristischen Dschungel begeben, wenn sie gemeinsam mit Angehörigen, die nicht bevollmächtigt sind, nach einer gangbaren Lösung suchen. Frau Zypries und Herr Stünker sind aufgefordert, zu antworten“, so Brysch.
Auch der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV), der Dachverband von nahezu 1000 Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland, betonte die Wichtigkeit, einen Bevollmächtigten zur Durchsetzung des Patientenwillens zu benennen. Denn gesetzlich seien Ehepartner oder auch andere Familienangehörige nicht automatisch befugt, für den Betroffenen zu entscheiden.
Insgesamt seien die neuen Regelungen zu Patientenverfügungen zwar eine Verbesserung. „Leider hat der Gesetzgeber weder eine Beratungspflicht noch – was wesentlich wichtiger gewesen wäre – einen Beratungsanspruch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung eingeräumt“, erklärte Prof. Dr. Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule Freiburg, Rechtsanwalt und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des DHPV in einer Pressemitteilung vom 28. August. Ein Beratungsgespräch zu führen, sei in jedem Fall zu empfehlen, denn die Anweisungen in einer Patientenverfügung müssen „so konkret wie möglich“ formuliert werden, so Klie.
Qualitätscheck Patientenverfügungsberatung
Im Hinblick auf eine Beratung beim Abfassen einer Patientenverfügung hat die Deutsche Hospiz Stiftung am 27.08.09 einen „Qualitätscheck Patientenverfügungsberatung“ veröffentlicht, mit der gute von schlechten Angeboten unterschieden werden können. Zehn Fragen sollen helfen, sich im Vorfeld einen Überblick zu verschaffen. „Wir haben leider die Erfahrung machen müssen, dass die Menschen diese Orientierung brauchen“, erklärte Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz Stiftung. Denn einige Beratungsangebote seien „Geldschneiderei“. Nicht einmal wer sich zur Beratung an einen Arzt wendet, sei auf der sicheren Seite.
Der Virchow-Bund hatte kürzlich empfohlen, für eine Patientenverfügungsberatung 235,95 Euro zu berechnen (siehe das Themenspecial vom 08.08.2009). „Das ist selbst der Bundesärztekammer zu viel“, so Brysch. Dabei sei nicht einmal Qualität garantiert. „Um sicher zu gehen, dass sie eine gute und nicht überteuerte Beratung erhalten, müssen die Menschen vorher die richtigen Fragen stellen. Etwa: Hat der Berater ausreichend Erfahrung? Nimmt er sich genügend Zeit? Verfasst er eine individuelle Verfügung oder benutzt er lediglich Textbausteine? Ist er auch an der Seite des Patienten, wenn es im Krisenfall darauf ankommt, die Verfügung durchzusetzen? Und: Wo können überall zusätzliche Kosten versteckt sein?“
Der „Qualitätscheck Patientenverfügungsberatung“ kann im Internet auf der Webseite der Deutschen Hospiz Stiftung kostenlos herunter geladen oder per Post zugeschickt werden.
Handreichungen zu Neuregelungen zu Patientenverfügungen
Zu allen Fragen rund um das Thema Patientenverfügung und den Neuregelungen hat auch der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband eine Handreichung erstellt, die zu den wesentlichen Punkten des Gesetzes Stellung nimmt, auch zu den Grenzen von Patientenverfügungen. Auf zwölf Seiten werden darin Fragen gestellt und beantwortet. Die Handreichung und weiteres Material ist auf der Webseite des Verbandes abrufbar bzw. kann dort angefragt werden.
Das Bundesjustizministerium der Justiz bietet ebenfalls umfangreiches Material zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. So wurde eine Informationsbroschüre aktualisiert und steht kostenlos als Download bzw. zur Bestellung bereit. Dazu gibt es zahlreiche ergänzende Formulare.
Ergänzende Informationen:
- „Leiden – Krankheit – Sterben: Wie bestimme ich, was medizinisch unternommen werden soll, wenn ich entscheidungsunfähig bin?“
Informationsbroschüre vom Bundesministerium der Justiz zu Patientenverfügung sowie weiterführende Materialien und Formulare unter dem Navigationspunkt „Betreuungsrecht“ unter „Publikationen“
- Deutsche Hospiz Stiftung
Dort gibt es den „Qualitätscheck Patientenverfügungsberatung“ und einen „12-Punkte-Check zur Prüfung von Vorsorgedokumenten“
- Deutscher Hospiz- und PalliativVerband zu Patientenverfügungen
Dort gibt es die Handreichung zu den Neuregelungen bei Patientenverfügungen und den Gesetzestext.
- Themenspecial vom 08.08.09: Nach Neuregelung zu Patientenverfügungen: Gesteigerter Beratungsbedarf und hohe Selbstkosten für Patienten