20.11.09: Debatte um Schweizer Sterbehilferegelung: Scharfe Kritik an NS-Vergleich von Dignitas-Chef Ludwig A. Minelli

20.11.09: Debatte um Schweizer Sterbehilferegelung: Scharfe Kritik an NS-Vergleich von Dignitas-Chef Ludwig A. Minelli

Mit einem provokanten Vergleich zwischen der Sterbehilfesituation in der Schweiz und den Ermordungen der Juden im Zweiten Weltkrieg zog der Chef der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas, Ludwig A. Minelli scharfe Kritik auf sich.

Laut einem Bericht der britischen Zeitung „Guardian“, in dem er einen Einblick in seinen Arbeitsablauf und ein Dignitas-Sterbezimmer gewährte, sagte Minelli gegenüber dem Blatt: „Im Zweiten Weltkrieg haben wir an der Grenze Juden abgewiesen, die später im KZ gestorben sind. Jetzt zwingen wir Menschen, die ihr Leben in der Schweiz beenden möchten, weiterzuleben. Wo ist der Unterschied? Was ist grausamer?“ Seine Aussage rechtfertigte er damit, dass die Zahl misslungener Suizidversuche sinke, wenn man verzweifelten Menschen helfen dürfe, sie in den Tod zu begleiten.

Vergleich „tiefster Antisemitismus“

Der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch kritisierte in einer Pressemitteilung vom 19.11.09, der Vergleich sei „tiefster Antisemitismus“, zu dem der Dignitas-Chef greife, um die Machenschaften seiner Suizidorganisation zu rechtfertigen, und schlicht „unerträglich“. Damit greife Minelli in die aktuelle Debatte um ein Verbot der kommerziellen Suizidbeihilfe ein, die derzeit im Schweizer Parlament geführt wird (siehe Themenspecial vom 31.10.2009). Brysch forderte deshalb ein Einschreiten von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Der müsse in der Schweiz diejenigen Kräfte stärken, die dem Geschäftemachen mit dem Selbstmord Einhalt gebieten wollen.

Brysch erinnerte daran, dass es Gesundheits- und Rechtspolitiker der FDP waren, die Minelli 2005 ein Forum im Deutschen Bundestag geboten haben. „Westerwelle muss jetzt sowohl in seiner Partei als auch als Außenminister entschlossen gegen den so gefährlichen wie menschenverachtenden Einheizer Minelli Position beziehen. Patientenschutz für Schwerstkranke und Sterbende ist nicht nur ein deutscher, sondern ein europäischer Wert. Die Sogwirkung einer solchen Regelung, wie sie in der Schweiz im Augenblick existiert, ist fatal“, erklärte Brysch. Gleichzeitig forderte er, auch in Deutschland endlich wie von der Koalition versprochen, ein Suizidvermittlungsverbot zu erlassen. Nur so könne einem Treiben, wie es momentan noch in der Schweiz zu erleben sei, ein grundsätzlicher Riegel vorgeschoben werden.

Weitere Informationen:

  • Suizidbeihilfe, Schweizer Grenzen und die Vernichtung der Juden
    Von Oliver Tolmein
    Eine Home-Story der ganz besonderen Art hat die renommierte englische Tageszeitung „Guardian“ über Dignitas-Chef Ludwig Minelli veröffentlicht.
    FAZ.NET Blog Biopolitik 21.11.09
     
  • Sterbehilfedebatte in der Schweiz: Bundesrat will organisierte Suizidhilfe regeln
    Themenspecial vom 31.10.09

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