07.09.08: Das Geschäft mit dem Tod – 8000,- Euro für Suizidbegleitung durch Sterbehelfer Kusch

07.09.08: Das Geschäft mit dem Tod – 8000,- Euro für Suizidbegleitung durch Sterbehelfer Kusch

Zwei Monate nach seinem öffentlichen Bekenntnis zu einer Suizidbegleitung hat der ehemalige Hamburger Justizsenator Dr. Roger Kusch auf einer am 01.09.08 neu eröffneten Webseite (die hier bewußt nicht genannt werden soll) erstmals Preise für seine „Dienste“ genannt.

Demnach kostet eine Suizidbegeleitung durch Herrn Kusch bis zu 8000,- Euro. Dieser Preis „wird individuell vereinbart unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Sterbewilligen“, heißt es dort. Allerdings entstünden für die Kontakte bis zum ersten persönlichen Treffen bzw. Hausbesuch keine Kosten, so Kusch. Die Durchführung der Suizidbegleitung erfolgt dann „durch Dr. Kusch oder einen von ihm Beauftragten“. D.h. Kusch, Spitzname „lächelnde Guillotine“, legt unter Umständen gar nicht selbst Hand an.

Mit dem neuen Internetauftritt will Kusch nach eigenen Angaben der Nachfrage nach seinen „Diensten“ gerecht werden und Informationen für alle Interessierten anbieten. Kusch hatte Anfang Juli für Schlagzeilen gesorgt, nachdem er in einer Pressekonferenz bekannt gab, erstmals Suizidbegleitung bei einer 79-jährigen Frau aus Würzburg geleistet zu haben, damals noch kostenlos. Die Frau war allerdings weder unheilbar krank, noch litt sie unter permanenten Schmerzen, sondern hatte nach eigener Aussage lediglich Angst vor dem Pflegeheim. Daher wollte sie ihr Leben selbst beenden (siehe dazu das Themenspecial vom 06.07.08: Bekenntnis zu Suizidbegleitung – Ex-Justizsenator Kusch entfacht neue Sterbehilfe-Debatte).

Wie Kusch gegenüber der Presse erläuterte, habe er seit dem „300 bis 500 Hilfsgesuche“ erhalten. Mit einigen Hilfesuchenden stehe er nun in Kontakt zur Konkretisierung ihrer Pläne. Ein Termin für eine nächste Suizidbegleitung stehe jedoch noch nicht fest.

Kritik der Deutschen Hospiz Stiftung an Sterbehelfer Kusch

„Jetzt lässt Roger Kusch seine Maske fallen: Statt sich tatsächlich an die Seite Schwerstkranker und Sterbender zu stellen, geht es ihm ganz billig ums Geschäft“. So kommentierte der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, in einer Pressemitteilung vom 1. September die erstmaligen Preisoffenlegungen Kuschs. „Es ist nicht nur zynisch, sondern auch äußerst geschäftstüchtig, dabei den Erstkontakt bis zum Hausbesuch als Lockangebot kostenfrei anzubieten“, erklärte Brysch.

Allein diese neue Entwicklung im Fall Kusch zeige, dass die politische Diskussion um ein Verbot der kommerzialisierten Beihilfe zum Suizid der Praxis hinterherhinke. Gerade erst vor der Sommerpause konnte sich der Bundesrat auf keinen Entwurf einigen, der nicht nur Aktivitäten von Suizid-Organisationen, sondern auch Aktivitäten von Einzelpersonen wie Roger Kusch einschließt. „Über Parteigrenzen hinweg müssen die Politiker jetzt an einem Strang ziehen statt seit zwei Jahren vorliegende Gesetzentwürfe immer wieder auf die lange Bank zu schieben“, forderte Brysch. Nur mit einem solchen Verbot könne sich die Politik auf die Seite der Schwerstkranken und Sterbenden stellen. Zudem müsse sie auch für verbesserte Bedingungen am Lebensende sorgen, um Geschäftemachern wie Roger Kusch nicht in die Hände zu spielen. „Denn klar ist: Suizidhilfe ist keine Sterbebegleitung“, bekräftigte Brysch.

Kurze Rechnung und Kommentar Chr. Frodl:

Nun offenbaren sich die wahren Absichten des Herrn Dr. Kusch. War die erste Suizidbegleitung noch „gratis“, um Publicity zu erlangen, geht es jetzt ans Gesparte der „Sterbewilligen“. Wenn Herr Kusch seine „300 bis 500 Anfragen“ zügig „abarbeitet“ und an 5 Tagen die Woche je einen Menschen täglich beim Suizid begleitet, eventuell mit Helfer und dafür 8000,- Euro (mit oder ohne Gewerbesteuer, zuzüglich oder ohne Spesenabrechnung???) kassiert, kann er es in einem Jahr zum zweifachen Millionär bringen.

5 „Arbeits“tage x 52 Wochen = 260 Leute x 8000,- Euro = 2.080.000,- Euro

Selbst wenn Herr Kusch auch „nur“ die Hälfte „arbeitet“ oder die Hälfte verlangt, kann er es mit diesem perversen Geschäftsmodell in einem Jahr zum Millionär bringen.

Nun ist die Politik gefordert, dieses Treiben zu unterbinden – und zwar schnell, bevor nach solchen Rechnungen noch andere auf die Idee kommen.

Entscheidungen im Bundesratsrechtsausschuss vertagt

Unterdessen befasst sich auch der Rechtsausschuss des Bundesrates mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung. Aber eine Entscheidung habe er vertagt, teilte das baden-württembergische Justizministerium in einer Presseaussendung vom 03.09.08. Für Baden-Württembergs Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) sei diese Entscheidung „nicht nachvollziehbar“.

Mit Blick auf das aktuelle Angebote von Kusch erklärte Goll: „Ich will gewerbliche und organisierte Sterbehilfe nicht länger dulden. Ich respektiere die höchstpersönliche Entscheidung eines jeden, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Ein Angehöriger, der einem Sterbewilligen in dieser Ausnahmesituation hilft, soll sich auch nicht strafbar machen. Aber die gewerbliche und organisierte Sterbehilfe hat mit Nächstenliebe nichts zu tun. Sie kann zu vorschnellen Entschlüssen führen, die unumkehrbar sind.“ Daher habe hier der Staat die Pflicht, das Leben zu schützen.

„Wenn Vereine den Tod an der nächsten Ecke oder auf Parkplätzen anbieten und der Vereinsvorsitzende dafür 8.000 Euro fordert, läuten bei mir die Alarmglocken“, sagte Goll. „Wir haben uns diesem heiklen Thema mit der notwendigen Sensibilität genähert und bereits eine entsprechende Ausschuss-Empfehlung im Bundesrat auf der Tagesordnung gehabt. Warum das Thema dann plötzlich abgesetzt wurde, ist mir bis heute ein Rätsel“, so Goll. Gleiches gelte für die Entscheidung vom 3. September im Rechtsausschuss, das Thema erneut zu vertagen.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Falls debattierte der Bundesrat bereits Anfang Juli über einen Gesetzentwurf zum Verbot der kommerziellen und organisierten Suizidhilfe. Doch er konnte sich nicht wirklich einigen. Mehr dazu im Themenspecial zur Bundesratsdebatte am 04.07.08 über ein Verbot kommerzieller Sterbehilfe.

Pressemeldungen zu Roger Kusch und seinem „Geschäftsmodell“ der Suizidbeihilfe

Sterbehilfe: Bei Kusch kostet der Tod 8000 Euro
Roger Kusch bekennt Farbe: Wer sich mit seiner Methode beim Sterben helfen lassen will, muss mit Kosten von bis zu 8000 Euro rechnen.
STERN.DE 01.09.08

Sterbebegleitung hat ihren Preis
Wegen der großen Nachfrage hat Hamburgs Ex-Justizsenatur Kusch für seine umstrittene Suizidhilfe eine eigene Internetseite eingerichtet – und nennt dort erstmals einen konkreten Preis.
FOCUS Online 01.09.08

Deutsche Hospiz Stiftung: Kusch lässt Maske fallen
Politik muss Geschäftemacherei mit Suizidbeihilfe gesetzlich unterbinden
Berlin. „Jetzt lässt Roger Kusch seine Maske fallen: Statt sich tatsächlich an die Seite Schwerstkranker und Sterbender zu stellen, geht es ihm ganz billig ums Geschäft“, mahnt der Geschäftsführende Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch.
PRESSEMITTEILUNG Deutsche Hospiz Stiftung 01.09.08

Große Nachfrage: Suizidhelfer Kusch richtet Startpage ein
Für bis zu 8000 Euro bietet der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch seine umstrittene Suizidhilfe und Sterbe-Begleitung an.
DIEPRESSE.COM 02.09.08

Der Tod um 8000 Euro
„Suizidhilfe ist keine Sterbebegleitung“, kritisiert der Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung die Initiative eines Ex-Justizsenators, der auf seiner Website über Methode und Preis informiert.
KATH.NET 02.09.08

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