06.07.08: Bekenntnis zu Suizidbegleitung – Ex-Justizsenator Roger Kusch entfacht neue Sterbehilfe-Debatte
Der ehemalige Hamburger Justizsenator Dr. Roger Kusch hat neuerlich eine Debatte über Sterbehilfe entfacht. Wie Kusch bei einer Pressekonferenz am 30. Juni mitteilte, hat er vergangenes Wochenende eine 79-jährige Frau aus Würzburg auf deren Wunsch beim Suizid begleitet. Die Frau war allerdings weder unheilbar krank, noch litt sie unter permanenten Schmerzen, sondern hatte nach eigener Aussage lediglich Angst vor dem Pflegeheim. Daher wollte sie ihr Leben selbst beenden. Sie starb schließlich durch eine Mixtur aus zwei Medikamenten, die sie sich selbst besorgt hatte.
All dies habe die Frau laut Kusch absolut freiwillig getan. Bevor sie die Becher mit der tödlichen Dosis trank, habe er „aus Gründen der Straflosigkeit“ zuvor den Raum verlassen. Zum Beweis für seine Aussagen hatte Kusch seinen letzten Besuch und ihr Sterben auf Video aufgenommen. Bei der Pressekonferenz zeigte er Ausschnitte der Video-Aufnahmen, die er unmittelbar vor dem Tod der Frau gemacht hatte. Die Sterbeszene selbst ersparte er den Medienvertretern. Zuvor berichteten Medien unter Berufung auf Kuschs Sprecher, Kusch hätte erstmals seinen kürzlich vorgestellten „Selbsttötungs-Automat“ eingesetzt (siehe das Themenspecial vom 06.04.08: Hamburger Ex-Justizsenator Roger Kusch stellt Selbsttötungsautomat vor). Dies wurde jedoch auf der Pressekonferenz von Kusch dementiert.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte unmittelbar nach bekannt werden des Falles Ermittlungen aufgenommen. Zunächst seien die Fakten zu sammeln und diese anschließend juristisch zu bewerten, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es sei u.a. zu prüfen, ob in dem Fall die Straftatbestände Tötung auf Verlangen beziehungsweise unterlassene Hilfeleistung erfüllt seien oder ob es sich um straffreie Beihilfe zum Selbstmord handele. Wie die Berliner Zeitung am 2. Juli dazu berichtete, erklärte der leitende Oberstaatsanwalt Clemens Lückemann nach der Obduktion der Leiche, es handle sich in dem Fall um einen „normalen Suizid ohne rechtlich relevante Fremdbeteiligung“.
Kritik an Sterbehelfer Kusch
Das Vorgehen und die Selbstinszenierung von Roger Kusch stießen bei Politikern, Ärzte- und Kirchenvertretern auf einhellige Ablehnung und scharfe Kritik. Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe sagte in einem Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ vom 02.07.08, es sei „zynisch und abstoßend, dass er eine alte Frau für seine Zwecke missbraucht hat.“ Kusch habe mit seiner Tat eine wirklich verheerende Botschaft gesendet: „Er legitimiert die Behauptung, dass das Leben in einem Heim nicht lebenswert ist.“ Damit lege er allen Menschen, die sich in einer vergleichbaren Situation wie die 79-Jährige befinden, nahe, sich ähnlich zu verhalten wie sie. So werde Suizid „zum Königsweg verklärt“, kritisierte Hoppe. Das sei „ein Aufruf zur Selbsttötung“.
Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Beuß erklärte, was Roger Kusch der Öffentlichkeit vorstellte, sei an Verachtung des menschlichen Lebens nicht zu überbieten. „Eine Frau, die Angst davor hatte, irgendwann einmal ein Pflegefall zu werden, musste sterben, weil Herr Dr. Kusch seine extreme Eitelkeit durch öffentliche Selbstdarstellungen befriedigen muss.“ Auch andere Politiker und Kirchenvertreter, sowie die Deutsche Hospiz Stiftung und der Deutscher Hospiz- und Palliativverband übten scharfe Kritik und forderten, Kusch und anderen Sterbehilfe-Organisationen das Handwerk zu legen. Von Seiten der Unionsländer gibt es bereits einen neuerlichen Vorstoß, organisierte Sterbehilfe verbieten.
Bundesratsdebatte über ein Verbot kommerzieller Sterbehilfe
Vor dem Hintergrund des aktuellen Falls debattierte der Bundesrat Ende der Woche über einen Gesetzentwurf zum Verbot der kommerziellen und organisierten Suizidhilfe. Mehr dazu im Themenspecial zur Bundesratsdebatte am 04.07.08 über ein Verbot kommerzieller Sterbehilfe.
Pressemeldungen zu Roger Kusch und dem „assistierten Suizid“
Ergänzend finden Sie eine Presseschau mit Meldungen zu Roger Kusch und dem „assistierten Suizid“