03.02.07: Grundsatzurteil: Schweizer Bundesgericht erlaubt ärztliche Suizidbeihilfe für psychisch Kranke

03.02.07: Grundsatzurteil: Schweizer Bundesgericht erlaubt ärztliche Suizidbeihilfe für psychisch Kranke

Nach einem vom Schweizerischen Bundesgericht am 03.11.2006 gefällten Grundsatzurteil sollen Ärzte auch psychisch kranken Menschen Hilfe beim Selbstmord leisten dürfen. Gleichzeitig hielt das Gericht fest, dass Suizidwilligen und Sterbehilfeorganisationen untersagt bleibt, ein bestimmtes tödlich wirkendes Mittel ohne Rezept zu beziehen. Dies berichtete die Neue Zürcher Zeitung online am 02.02.07 Februar.

Zuvor hatte sich ein manisch-depressiver Mann, der bereits zwei Selbstmordversuche unternommen hatte und 2004 die Sterbehilfeorganisation Dignitas um eine Freitodbegleitung gebeten hatte, an die Behörden des Kantons Zürich und des Bundes gewandt. Dort hatte er sich beschwert, dass ihm kein Arzt ein Rezept für das verschreibungspflichtige Mittel ausstellen wollte. Sein Anliegen, das tödlich wirkende Betäubungsmittel über Dignitas ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung beziehen zu können, wurde ihm jedoch verwehrt, so das Blatt. In einem Grundsatzurteil hat das Bundesgericht seine Beschwerde nun abgewiesen.

Zur Begründung des Urteils

Der Suizidwillige hatte vor den Bundesrichtern die Auffassung vertreten, er habe einen grundrechtlichen Anspruch gegenüber dem Staat, den Suizid risiko- und schmerzfrei vornehmen zu können. Ihm sei deshalb zu ermöglichen, das Mittel ohne „ärztliche Bevormundung“ beziehen zu können. Dazu habe er sich auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit, sowie auf den Anspruch auf Schutz des Privatlebens, wie er von der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert wird, berufen.

Diese Grundrechte garantieren laut Bundesgericht zwar auch das Recht auf den eigenen Tod, es könne aus ihnen jedoch keine Pflicht des Staates abgeleitet werden, dafür zu sorgen, dass das fragliche Mittel an Sterbehilfeorganisationen oder Suizidwillige ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden könne, hieß es. Laut dem Urteil sei es im Rahmen der anerkannten medizinischen Grundregeln jedoch durchaus möglich, ein ärztliches Rezept für das Mittel zu erhalten. Heute werde die Suizidhilfe zusehends als freiwillige ärztliche Aufgabe verstanden, die aufsichts- und standesrechtlich nicht ausgeschlossen erscheine.

Äußerste Zurückhaltung geboten

Nach Ansicht der Richter erweise sich bei psychisch kranken Menschen die Frage der Verschreibung für einen begleiteten Selbstmord zwar als besonders heikel. Jedoch sei nach neuen ethischen, rechtlichen und medizinischen Stellungnahmen selbst in solchen Fällen eine Verschreibung des Mittels nicht generell ausgeschlossen. Dabei sei aber äußerste Zurückhaltung geboten. Es gelte zu unterscheiden zwischen dem Sterbewunsch als Ausdruck einer psychischen Störung und dem selbst bestimmten, wohlerwogenen und dauerhaften Entscheid einer urteilsfähigen Person. Diesen „Bilanzsuizid“ gelte es gegebenenfalls zu respektieren, so das Gericht. Die entsprechende Einschätzung setze notwendigerweise ein vertieftes psychiatrisches Fachgutachten voraus, das nur sichergestellt erscheine, wenn an der ärztlichen Verschreibungspflicht festgehalten werde, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.

Weiters hieß es, die Verantwortung dafür dürfe nicht privaten Sterbehilfeorganisationen in die Hände gelegt werden, denn deren Aktivitäten hätten mehrfach Anlass zu Kritik gegeben. Eine Basler Studie zu 43 Fällen von durch den Verein „Exit“ assistierten Selbstmorden habe etwa ergeben, dass gerade psychiatrische oder soziale Faktoren zu wenig berücksichtigt worden seien.

Ergänzende Informationen:

Schweizer Bundesgericht Urteile 2A.48/2006 und 2A.66/2006 vom 3. November 2006

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