04.01.06: Bundesärztekammerpräsident Hoppe sieht 2005 als Wendepunkt in Sterbehilfediskussion
Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, hat das Jahr 2005 als Wendepunkt in der öffentlichen Sterbehilfe-Diskussion in Deutschland bezeichnet. In einem am 3. Januar 2006 von der Bundesärztekammer veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur AP vom 31. Dezember warnte er vor einer Entwicklung wie in den Niederlanden und Belgien, wo Ärzte leidende Patienten auf Verlangen legal töten dürfen.
Insbesondere kritisierte Hoppe die Forderung des Hamburger Justizsenators Roger Kusch, auch in Deutschland das Verbot aktiver Sterbehilfe abzuschaffen. Vor einem Jahr hätte er es nicht für möglich gehalten, dass ein Justizsenator dafür eintritt, sagte der Ärztepräsident. Der eigentliche Wendepunkt der Sterbehilfe-Debatte sei aber bereits das so genannte Kemptener Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 1994 gewesen.
„Seitdem kann bei einem unheilbar erkrankten, nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten der Abbruch einer ärztlichen Behandlung oder Maßnahme in Ausnahmefällen auch dann möglich sein, wenn der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat. Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Kranken. Und da fangen die Probleme eben an.“ Diesen mutmaßlichen Willen zu ermitteln, sei gerade bei jüngeren Menschen, die keine Patientenverfügung haben, schwierig bzw. gar nicht möglich.
Bei Regelung von Patientenverfügungen kein akuter Handlungsbedarf
Für einen Vorstoß zur gesetzlichen Regelung von Patientenverfügungen, wie ihn Bundesjustizministerin Zypries in der vergangenen Legislaturperiode erfolglos startete, sieht er derzeit jedoch „keinen akuten Handlungsbedarf“. Hoppe rief aber zu einer offenen Debatte über den Stellenwert der Patientenverfügungen auf, an der sich möglichst viele gesellschaftliche Gruppen beteiligen sollten. Patientenverfügungen könnten zwar eine wesentliche Hilfe für den Arzt sein; „sie entbinden den Arzt aber nicht davon, den mutmaßlichen Willen aus den Gesamtumständen zu ermitteln“, betonte er. Anhaltspunkte dafür könnten neben früheren Äußerungen u. a. die Lebenseinstellung des Betroffenen sein.
Ansonsten seien Ärzte dem Leben verpflichtet. Es gehöre nicht zum Arztberuf, den Tod herbeizuführen. „Wir als Ärzte wollen den Tod zulassen, ihn aber nicht zuteilen. Aktive Sterbehilfe zu erlauben, wenn Klinikärzte nicht in ihrer Funktion als Arzt, sondern als Staatsbürger handeln, wie es ab 2006 in dem Schweizer Universitätsklinikum von Lausanne möglich sein soll, lehne ich strikt ab. Hier eine Unterscheidung treffen zu wollen zwischen dem Menschen als Arzt und als Staatsbürger, wäre in höchstem Maße perfide“, so der Bundesärztekammerpräsident.
Ärztlich assistierter Suizid in keinem Fall ethisch vertretbar
Auch ärztlich assistierten Suizid hält er in keinem Fall für ethisch vertretbar. Dies wäre seiner Auffassung nach eine Umkehrung ärztlicher Werte. Der Patient habe das Recht zu sterben, aber nicht das Recht, getötet zu werden, schon gar nicht von Ärzten. „Schwerkranke Menschen müssen palliativmedizinisch so begleitet werden, dass ihr Sterben für sie erträglich wird“, forderte Hoppe abschließend.