21.07.20: Gedenkstätten zur Erinnerung an die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen: Stellungnahme zur Triage in der Corona-Pandemie

21.07.20: Gedenkstätten zur Erinnerung an die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen: Stellungnahme zur Triage in der Corona-Pandemie

In einer gemeinsamen Stellungnahme haben fünf Gedenkstätten zur Erinnerung an die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen ihre Sorge über die Diskussionen über die intensivmedizinische Versorgung von Senior*innen sowie Menschen mit Vorerkrankungen oder Behinderungen (Stichwort: Triage) in der Corona-Pandemie geäußert.

In der Stellungnahme vom 13. Juli 2020 erinnern die unterzeichnenden Gedenkstätten an Abwertung, Ausgrenzung und Ermordung von Menschen im Nationalsozialismus. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Vermittlung der Geschichte dieser (Medizin-)Verbrechen.

„Ausgehend von diesem historischen Kontext, setzen wir uns in pädagogischen Programmen und Veranstaltungen aber auch mit aktuellen medizin-ethischen Fragen auseinander. Vor diesem Hintergrund betrachten wir die Diskussionen über die intensivmedizinische Versorgung von Senior*innen sowie Menschen mit Vorerkrankungen oder Behinderungen (Stichwort: Triage) in der Corona-Pandemie mit Sorge“, heißt es darin.

„Wir sehen die Gefahr, dass die genannten Gruppen bei einer Überlastung des Gesundheitssystems von der intensivmedizinischen Versorgung ausgeschlossen werden könnten.“ befürchten die Unterzeichner. Sie verweisen dabei auf medizinische Fachgesellschaften, die Empfehlungen für die Vergabe von Behandlungsplätzen in einer Situation, in der es mehr Patient*innen als Intensivbetten gibt, veröffentlicht haben. Darin heißt es unter anderem, dass Ärzt*innen sich an Kriterien wie z. B. „weit fortgeschrittene neurologische Erkrankung“ oder „Gebrechlichkeit“ orientieren sollen.

Breite gesellschaftliche Diskussion über Triage-Entscheidungen notwendig

„Noch haben wir in Deutschland keine derartige Notsituation; umso wichtiger ist es, jetzt gesellschaftlich breit und ohne Zeitdruck die ethischen, medizinischen und juristischen Implikationen von Triage-Entscheidungen zu diskutieren“, fordern die Gedenkstätten. Auch der Deutsche Bundestag solle sich dieser Diskussion annehmen und abwägen, ob die Empfehlungen der Fachgesellschaften handlungsleitend sein können. „Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen müssen an den Beratungen zu diesem Thema beteiligt werden“, fodern sie ergänzend.

Es sei wichtig, „Regelungen zu verabschieden, die eine diskriminierungsfreie Zuteilung von intensivmedizinischer Versorgung in einer Krisensituation gewähren und so die Rechte und die Würde jedes einzelnen Menschen sicherstellen.“ Die Festlegung von Regelungen für Triage-Entscheidungen könne nicht ausschließlich der Medizin überlassen werden.

Zu den Unterzeichnenden gehören die Gedenkstätte Bernburg, die Gedenkstätten Brandenburg an der Havel, die Gedenkstätte Hadamar, die Stiftung Sächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein sowie der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim. Der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim unterstützt als österreichische Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie die Initiative der deutschen Kolleginnen und Kollegen.

Ergänzende Informationen:

Stellungnahme von Gedenkstätten zur Erinnerung an die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen

» Themenrubrik Euthanasie im Nationalsozialismus