20.06.18: ZQP-Studie zu Aggression und Gewalt in der häuslichen Pflege veröffentlicht

20.06.18: ZQP-Studie zu Aggression und Gewalt in der häuslichen Pflege veröffentlicht: Unterstützung bei der Vorbeugung gefährlicher Krisen dringend nötig

Fast drei Viertel der rund drei Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause versorgt, davon 1,4 Millionen ausschließlich durch Angehörige. Dabei bringen diese meist sehr viel Zeit, Geduld und Kraft auf. Belastende Konflikte drohen und können zu Gewalt in der Pflege führen. Deswegen sind gezielte Unterstützungsangebote sowie Aufklärung über Gewaltprävention dringend erforderlich. Dies unterstreicht eine neue Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) mit dem Titel „Aggression und Gewalt in der informellen Pflege“, die am 18.06.18 veröffentlicht wurde.

Für die Untersuchung wurden deutschlandweit 1.006 pflegende Angehörige im Alter zwischen 40 und 85 Jahren dazu befragt, welche Erfahrungen sie mit Konflikten und Gewalt in der Pflege gemacht haben. Dabei zeigte sich, dass viele pflegende Angehörige mit belastenden Gefühlen zu kämpfen haben. Über ein Drittel der Befragten, d.h. 36 Prozent, fühlt sich häufig niedergeschlagen, 29 Prozent sind häufig verärgert. Zudem hatte über die Hälfte, d.h. 52 Prozent, in den letzten sechs Monaten teilweise den Eindruck, dass die pflegebedürftige Person ihre Hilfe nicht zu schätzen weiß. 25 Prozent hätten den Pflegebedürftigen bereits „vor Wut schütteln können“.

Pflegende Angehörige müssen wirksamer unterstützt werden

„Pflegende Angehörige müssen wirksamer unterstützt werden. Denn Pflege kann schwierig sein und auch mit negativen Emotionen einhergehen. Es ist bedeutsam, solche Gefühle zu erkennen und zu lernen, wie man damit umgehen kann. Das ist ein wichtiger Schritt, um gefährlichen Krisen vorzubeugen und die Gesundheit aller Beteiligten zu schützen“, erklärte Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP in einer Presseaussendung.

Neben belastenden Gefühlen berichten viele Angehörige von Gewalt bzw. krankheitsbedingtem gewaltförmigem Verhalten Pflegebedürftiger. 45 Prozent geben an, mit psychischer Gewalt wie Anschreien, Beleidigen oder Einschüchtern konfrontiert worden zu sein. 11 Prozent haben körperliche Übergriffe wie grobes Anfassen, Kratzen, Kneifen oder Schlagen erlebt.

„Gewalt in der Pflege hat viele Gesichter und fängt nicht erst beim Schlagen an. Es kommt dabei nicht in erster Linie darauf an, ob etwas aus bösem Willen passiert oder strafrechtlich relevant ist. Vielmehr geht es um die oft gravierenden Folgen. Wer Gewalt in der Pflege verharmlost, verkennt die möglichen Schäden bei Betroffenen und das Risiko einer Eskalationsspirale“, erklärte Suhr. Das Thema sei immer noch stark tabuisiert, es käme darum auf sachliche Aufklärung an. „Skandalisierung oder Stigmatisierung behindern eher wirksame Gewaltprävention“, so Suhr.

Gewalt in der Pflege trifft pflegebedürftige Menschen besonders hart

Auch Pflegende können gegenüber einer pflegebedürftigen Person gewaltsam handeln. Insgesamt 40 Prozent der Befragten äußerten, dies innerhalb der letzten sechs Monate mindestens schon einmal absichtlich getan zu haben. Am häufigsten wurden mit 32 Prozent der Befragten auch hier Formen psychischer Gewalt berichtet. Zwölf Prozent machten Angaben zu körperlicher Gewalt, elf Prozent zu Vernachlässigung. Sechs Prozent nannten freiheitsentziehende Maßnahmen. Gewalt in der Pflege treffe pflegebedürftige Menschen oft besonders hart, denn sie können sich häufig nicht gut wehren, teilweise nicht einmal mehr äußern und sind vom Pflegenden meistens abhängig.

Hinweise dazu wie man mit Wut, Aggressionen oder herausforderndem Verhalten in der Pflege umgehen und Gewalt vorbeugen kann, erhält man laut ZQP zum Beispiel bei guten Pflegeschulungen oder Pflegeberatungen. Pflegende Angehörige haben auf Beratung und Schulung einen kostenlosen Rechtsanspruch.

Mehr Informationen zum Thema Gewalt in der Pflege, Tipps zur Gewaltprävention für Angehörige und Notfall-Kontakte für Krisenfälle bietet das kostenlose Portal des ZQP www.pflege-gewalt.de.

Methoden und Vorgehensweise der Untersuchung

Grundgesamtheit der vorliegenden Analyse sind Personen in Deutschland im Alter von 40 bis 85 Jahren, die in ihrem privaten Umfeld seit mindestens sechs Monaten und mindestens einmal pro Woche einen Menschen pflegen, der folgende Kriterien erfüllt: (i) Alter ab 60 Jahren, (ii) pflegebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches, d. h. die Person hat einen Pflegegrad und (iii) wird häuslich versorgt (d. h. wohnt nicht in einem Alten- oder Pflegeheim). Die Stichprobe von n = 1.006 Personen wurde gezogen aus einem Panel mit circa 80.000 deutschsprachigen Personen. Teilnehmen konnte nur, wer zur Grundgesamtheit gehörte.

Die Online-Befragung wurde in der Zeit vom 20. April bis zum 14. Mai 2018 durchgeführt. Die Stichprobe wurde nach Kombinationen von Alter, Geschlecht und formaler Bildung nachgewichtet, um sie dem Ideal einer Repräsentativstichprobe so weit wie möglich anzunähern. Grundlage der Nachgewichtung war der Deutsche Alterssurvey 2014, eine Repräsentativbefragung von Menschen zwischen 40 und 85 Jahren, die in Privathaushalten in Deutschland leben. Die statistische Fehlertoleranz der Untersuchung in der Gesamtstichprobe liegt bei +/- drei Prozentpunkten.

Zur vollständigen ZQP-Analyse: Aggression und Gewalt in der informellen Pflege

Zu unserer Rubrik Menschenwürdige Pflege, Pflegeheim-Missstände und Pflegereform