03.03.12: Niederlande: Mobile Sterbehilfe-Teams nehmen Arbeit auf
Von der für Anfang März geplanten Eröffnung einer „Sterbeklinik“ und der Einführung „mobiler Sterbehelfer“ in den Niederlanden darf keinerlei Signalwirkung für Deutschland ausgehen. Das mahnte die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V., Dr. med. Claudia Kaminski am 28.02.12 in einer Pressemitteilung an. Die Ärztin appellierte an Politiker und Repräsentanten der Ärzteschaft sich unmissverständlich gegen jede Form aktiver Sterbehilfe und den ärztlich assistierten Suizid auszusprechen.
Konkret wollen Anfang März sechs ambulante Teams der „Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende“ mit jeweils einem Arzt und Pflegemitarbeiter landesweit aktive Sterbehilfe zu Hause bei den Patienten leisten. Zudem soll in Den Haag dieses Jahr eine sogenannte „Lebensende-Klinik“ der Vereinigung eröffnet werden. Zielgruppe sind Patienten, bei denen Ärzte dem Wunsch nach aktiver Sterbehilfe nicht nachkommen wollen (siehe das Themenspecial vom 11.02.2012 unten).
Klares Bekenntnis zur wahren Humanität entgegensetzen
„Sowohl vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte, als auch als direkter Nachbar der Niederlande sind wir Deutsche heute besonders gefordert, dem fehlgeleiteten Verständnis von Autonomie in den Niederlanden ein klares Bekenntnis zur wahren Humanität entgegenzusetzen. Eine Gesellschaft, in welcher der Tod bestellt und geliefert werden kann, verliert auf Dauer ihr menschliches Antlitz“, erklärte Kaminski.
„Wenn die Politik und die Repräsentanten der Ärzteschaft nicht wollen, dass wir in Deutschland in ein paar Jahren ähnliche öffentliche Debatten haben, muss jetzt gehandelt werden. Für die Aktion Lebensrecht für Alle gehört dazu, dass die Palliativmedizin und die Hospizarbeit in Deutschland weiter ausgebaut und Forderungen, die der Verbesserung einer menschenwürdigen Pflege dienen, endlich statt gegeben werden. Mit jedem Tag, der hier tatenlos vergeht, kommen wir niederländischen Verhältnissen näher“, mahnte die ALfA-Bundesvorsitzende.
Ausnahmeregelungen gescheitert
Kritik zum Einsatzbeginn der ambulanten Sterbehilfeteams in den Niederlanden kam auch von der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung. „Im Jahre 2001 gab es in Deutschland durchaus Sympathien für die niederländische Euthanasiepraxis. Spätestens jetzt muss aber klar sein, dass mit der Einführung von mobilen Sterbehilfeteams die Idee einer humanen Tötung auf Wunsch des Patienten beerdigt wird“, erklärt der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch am 29. Februar in Berlin.
„Großen Wert haben die niederländischen Politiker auf ihre sogenannten Sorgfaltskriterien gelegt. Zwei Ärzte sollten unabhängig voneinander das Leiden und den selbstbestimmten Sterbewunsch attestieren. Ebenso sollte es keine medizinische und pflegerische Alternative zur Tötung geben. Bekannt wurde auch, dass zu 80 Prozent Sterbehilfe in der Familie durch den Hausarzt vorgenommen wurde. Doch die naive Absicht der niederländischen Politik, den schwerstkranken Menschen nicht unter Druck zu setzen, und nur besondere Ausnahmen zuzulassen, ist jetzt gescheitert“, erklärte Brysch.
Leiden lasse sich nicht objektivieren oder in juristische Kategorien fassen. „Damit sind die Politiker den Sterbehelfern in den Niederlanden auf den Leim gegangen. Das Konzept der Euthanasielobby lautet: Tod muss überall und für jeden verfügbar sein. Die Sorgfaltskriterien spielen dabei überhaupt keine Rolle. Die steigenden Sterbehilfezahlen belegen das. Die Folgen davon tragen die schwerstkranken und sterbenden Menschen. Sie geraten unter Druck. Aus ihrem Recht auf Tötung wird die Pflicht zum Sterben“, mahnte Brysch.
„In Deutschland müssen wir Konsequenzen aus dem niederländischen Euthanasiemodell ziehen. Es reicht nicht aus, für zehn Prozent der Sterbenden palliative Angebote vorzuhalten“, forderte Brysch. „Wenn der größte Teil der Bevölkerung Angst vor Anhängigkeit, Pflege und Einsamkeit hat, dann sind die paar Inseln der palliativen Therapie keine Antwort auf deren Nöte.“
Bayerns Justizministerin fordert erneut strafrechtliches Verbot der gewerblichen Suizidbeihilfe in Deutschland
Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk mahnte unterdessen ein strafrechtliches Verbot der gewerblichen Suizidbeihilfe in Deutschland an. „Wir dürfen bei der Diskussion über diese erschütternde und menschenverachtende Praxis in den Niederlanden nicht vergessen, dass auch in Deutschland schon seit mehreren Jahren Anbieter tätig sind, die Menschen gegen Entgelt Hilfe zur Selbsttötung offerieren. Sie nutzen die Not von Menschen aus, die sich in einer so verzweifelten Lage befinden, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sehen als den schnellen Freitod mit Hilfe anderer“, erklärte Merk in einer Presseaussendung.
Für sie stehe außer Frage, dass „solches Tun von staatlicher Seite unterbunden werden muss.“ Merk erinnerte daran, dass im Koalitionsvertrag auf Bundesebene 2009 vereinbart worden ist, die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung unter Strafe zu stellen. „Dem sollten jetzt konkrete Schritte folgen. Wir müssen ein klares Signal setzen, dass wir verzweifelten Menschen individuelle Hilfe zuteil werden lassen statt sie in die Hände solcher Todeshändler zu geben“, forderte die bayerische Justizministerin abschließend.
Weitere Informationen:
- Themenspecial vom 11.02.2012: Niederlande: Aufregung um ambulante Teams für heimische Sterbehilfe
- „Besser offene Barbarei als heimliche Sterbehilfe“
Mobile Sterbehilfe in den Niederlanden
Aus Amsterdam berichtet Annette Langer
SPIEGEL Online 01.03.12
- „Dr. Tod“ und sein neuer Verein
Sterbehilfe in Deutschland
Von Verena Herb
DEUTSCHLANDFUNK 01.03.12