Symbolbild Sterbehilfe

07.07.08: Bundesrat beriet über Verbot kommerzieller und organisierter Suizidhilfe

07.07.08: Bundesrat beriet über Verbot kommerzieller und organisierter Suizidhilfe

Ergänzt am 07.09.08

Auf Initiative mehrerer Bundesländer sollte im Bundesrat am 04.07.08 über einen Gesetzentwurf zum Verbot der kommerziellen und organisierten Suizidhilfe beraten werden. Hintergrund der Debatte ist, dass sich auch in Deutschland seit einiger Zeit vermehrt kommerzielle Sterbehilfeorganisationen etablieren wollen. Diese bieten Suizidwilligen einen vermeintlich leichten Weg in den Tod an, gegen Zahlung meist erheblicher Geldbeträge.

Da jedoch laut Medienberichten keine Einigung über die konkreten Ausformulierungen im Gesetzentwurf bestanden habe, wohl jedoch in der Sache an sich, beschränkte sich die Länderkammer auf eine Entschließung in abgeschwächter Form, das heißt eine unverbindliche Resolution. Darin sprach sich der Bundesrat für die Strafbarkeit gewerblicher Sterbehilfe und zugleich für die Stärkung der Palliativmedizin und der Hospizarbeit aus.

Konkret schlägt die Länderkammer vor, das Betreiben eines Gewerbes zur Suizidbeihilfe ebenso unter Strafe zu stellen wie das gewerbliche Anbieten und Vertreiben von Mitteln zur Selbsttötung oder die Übernahme einer maßgebenden Rolle in einem derartigen Gewerbe. Noch in diesem Jahr soll der Gesetzgeber tätig und ein entsprechender Straftatbestand geschaffen werden. Der Bundesrat warnte zudem davor, dass ein – wenn auch vielleicht nur subjektiv empfundener – Erwartungsdruck auf schwer kranke und alte Menschen entstehen könnte. Es widerspreche dem Menschenbild des Grundgesetzes, wenn mit dem Suizid und dem Leid von Menschen Geschäfte gemacht werden, betont die Entschließung.

Ursprünglicher Gesetzentwurf vorerst gekippt

Der für die Sitzung ursprünglich vorgeschlagene Gesetzentwurf der Länder Saarland, Hessen und Thüringen wurde zur nochmaligen Beratung zurück in die Fachausschüsse überwiesen (siehe Dokumente unten inkl. Stellungnahmen der Ausschüsse). Mit dem Gesetzentwurf soll die geschäftsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung unter Strafe gestellt werden. Erfasst werden soll die „über den einzelnen schweren Konfliktfall hinausgehende zielgerichtete Förderung von Selbsttötungen als eine abstrakt das Leben gefährdende Handlung.“

Zu diesem Zweck schlägt der Gesetzentwurf die Einfügung eines § 217 StGB vor, der für die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht. Die Tötung auf Verlangen ist in 216 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bewehrt. Dagegen sind die Selbsttötung und die Teilnahme daran nach geltendem Recht straflos.

Der federführende Rechtsausschuss und der Gesundheitsausschuss empfahlen hierzu zuvor die Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deutschen Bundestag in einer neuen Fassung. Danach soll die gewerbliche und organisierte Suizidbeihilfe mit Geld oder mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bewehrt werden. Eine Strafbarkeit soll dann gegeben sein, wenn jemand ein Gewerbe betreibt oder eine Vereinigung gründet, deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren oder zu verschaffen.

Ebenso soll bestraft werden, „wer für eine solche Vereinigung als Mitglied oder Außenstehender geistig oder wirtschaftlich eine maßgebende Rolle“ spielt. Insbesondere diese schwammigen Formulierungen in Bezug auf „geistig… maßgebende Rolle“ sorgten für Kritik. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahl dagegen, den Gesetzentwurf nicht beim Deutschen Bundestag einzubringen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Drucksache 436/08 verwiesen (siehe Dokumente unten).

Kritik an der Bundesrats-Entschließung

Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte die Entschließung des Bundesrates. „Das heiße Eisen eines Verbots der kommerziellen und organisierten Suizidhilfe wollte heute im Bundesrat keiner anfassen. Das hinterlässt einen schalen Nachgeschmack“, erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, in einer Pressemitteilung vom 04.07.08

Jetzt trete zwar eine gewisse Erleichterung darüber ein, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer Entscheidung in dieser Sache erkannt hat und noch in diesem Jahr handeln will. Dabei sei eine eindeutige Position dringend nötig. Denn so lange die schwache Haltung der Politik besteht, spiele das selbst ernannten Sterbehelfern in die Hände. „Wichtig ist es vor allem aber auch, endlich ein positives Zeichen an die Menschen zu senden, die ihren letzten Lebensjahren mit Angst entgegensehen“, forderte Brysch

„Aufgabe muss es sein, den Menschen zu zeigen, wie sie konkret begleiten werden können, wenn sie alt oder schwer krank sind“, so Brysch. Hospizarbeit und Palliativmedizin könnten dabei nur ein Teil der Antwort sein. Denn wie das Beispiel der 79-Jährigen Würzburgerin gezeigt habe, der Anfang der Woche zum Suizid verholfen wurde (siehe dazu das Themenspecial vom 06.07.08), beginnen die Ängste der Menschen vor Pflegebedürftigkeit, Schmerzen und Einsamkeit bereits lange bevor diese Situation wirklich eintritt.

Deshalb müsse die Politik neben einer eindeutigen Absage an die kommerzielle und organisierte Suizidhilfe dringend weitere wichtige Entscheidungen auf den Weg bringen. So müsse das vor anderthalb Jahren beschlossene Gesetz zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung endlich in der Praxis ankommen. Zudem müsse der „Eiertanz um Patientenverfügungen“ dringend zu Gunsten eines Gesetzes beendet werden, das den Menschen Rechtssicherheit biete. „Auch im Bereich der Pflege bedarf es wichtiger Prioritätensetzung. Die Verschiebung der Entscheidung im Bundesrat macht den dringlichen Aufgabenkatalog nur wieder größer“, so das Fazit von Brysch.

Ergänzung 07.09.08: Entscheidung im Bundesratsrechtsausschuss vertagt

In einer Presseaussendung vom 03.09.08 teilte das baden-württembergische Justizministerium mit, dass der Rechtsausschuss des Bundesrates sich mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung befasst hat und eine Entscheidung vertagt hat. Für Baden-Württembergs Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) sei diese Entscheidung „nicht nachvollziehbar“.

Mit Blick auf die aktuellen Angebote von Kusch erklärte Goll: „Ich will gewerbliche und organisierte Sterbehilfe nicht länger dulden. Ich respektiere die höchstpersönliche Entscheidung eines jeden, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Ein Angehöriger, der einem Sterbewilligen in dieser Ausnahmesituation hilft, soll sich auch nicht strafbar machen. Aber die gewerbliche und organisierte Sterbehilfe hat mit Nächstenliebe nichts zu tun. Sie kann zu vorschnellen Entschlüssen führen, die unumkehrbar sind. Hier hat der Staat die Pflicht, das Leben zu schützen. Wenn Vereine den Tod an der nächsten Ecke oder auf Parkplätzen anbieten und der Vereinsvorsitzende dafür 8.000 Euro fordert, läuten bei mir die Alarmglocken“, sagte Goll.

„Wir haben uns diesem heiklen Thema mit der notwendigen Sensibilität genähert und bereits eine entsprechende Ausschuss-Empfehlung im Bundesrat auf der Tagesordnung gehabt. Warum das Thema dann plötzlich abgesetzt wurde, ist mir bis heute ein Rätsel“, so Goll. Gleiches gelte für die Entscheidung vom 3. September im Rechtsausschuss, das Thema erneut zu vertagen.

Dokumente zur Bundesratssitzung am 04.07.08

Pressemeldungen zur Bundesrats-Debatte über Sterbehilfe-Organisationen

Ergänzend dazu gibt es eine Presseschau zur Bundesrats-Debatte über Sterbehilfe-Organisationen

Nach oben